LeserInnenbriefe

Nr. 16 –

Keinen Unfug verbreiten

«Die Medienzukunft: Facebook-Voodoo», WOZ Nr. 13/2018

Kann bitte jemand Hansi Voigt ausrichten, dass Donald Trump 2016 nicht 59, sondern 63 Millionen Stimmen erhalten hat und Hillary Clinton knapp 66 Millionen? Dass Trumps Stimmenanteil von 46 Prozent mitnichten einen «demokratischen» Willen ausdrückt, sondern seit 2000 den zweitniedrigsten für einen Kandidaten einer Grosspartei darstellt? Voigt scheint ein gut informierter Beobachter der Schweizer Medienszene zu sein, seine Kommentare zu den USA sind naiv. Zwar gibt es durchaus relevante Parallelen zwischen der Schweiz und den USA – niedrige Wahlbeteiligungen zum Beispiel, eine von einem Milliardär geführte, sich als populistisch ausgebende, gegen Minderheiten hetzende Rechtspartei und Ansätze einer parteihörigen Medienlandschaft. Doch die hasserfüllte Hetze des US-Wahlkampfs 2016 ist selbst mit SVP-Exzessen nicht entfernt vergleichbar.

Trumps «Aufstand» ist ein Aufstand der Plutokratie gegen den regulatorischen, «administrativen Staat». Seine Massenbasis sind die Evangelikalen, die Moderne, Säkularismus und Liberalismus verabscheuen und in Trump, ungeachtet seines wahrhaft gottlosen Gebarens, einen Geistesverwandten erkannt haben. Der Trumpianer bewundert Reichtum und Macht und ist wütend auf Black Lives Matter, Sans-Papiers, Sozialschmarotzer und Feministinnen. Es ist eine Bewegung von «Radfahrern», die nach unten treten und sich mit «bullies» wie Trump identifizieren. Nach über einem Jahr ist das Märchen einer Anti-Establishment-Bewegung gründlich widerlegt.

Toni Menninger, Bern

Grundsätzliches Dilemma

«Fürsorgerische Unterbringung: Sonst wird man dann gespritzt», WOZ Nr. 14/2018

Vielen Dank für diesen hervorragenden Artikel. Er ist hervorragend, weil er sehr viele kritische Elemente in ihrem Zusammenhang zeigt. Auch das grundsätzliche Dilemma.

Er wäre nicht hervorragend, käme nicht die Tochter zu Wort. Meine Ehepartnerin hat sämtliche (!) der beschriebenen negativen Aspekte auch durchlitten. Ich kenne die ganze Problematik seit einem halben Leben. Aus nächster Nähe, als in jeder Beziehung geforderter Ehemann. Das heisst mitleiden. Für Kinder ist die plötzliche Unsicherheit besonders schwierig. Bei uns konnte wenigstens ich die während der Krisen noch nötigere Stabilität garantieren. Die Kinder sind erfolgreich erwachsen geworden. Auch meine Frau hat bis zur Pensionierung mit Erfolg Schule gegeben, rundum sehr beliebt und geachtet. Das ist nicht selbstverständlich, gerade wegen der im Artikel beschriebenen, teils skandalösen Massnahmen und Strukturen. Geholfen in den periodisch wiederkehrenden Krisen hat viel stützende und manchmal widerständige Kraft von uns engsten Angehörigen beim Abwägen von Interventionen.

Es ist gut, dass vor allem die Psychiatriebetroffenen mit solchen Artikeln gestützt werden. Ebenso wichtig ist es, den Angehörigen die nötige Aufmerksamkeit zu geben. Ihrem Leiden wegen der Sorgen um die Gesundheit des lieben Familienmitglieds und wegen der unterschätzten Drittwirkung, die im engeren Umfeld wohl bei wenigen Krankheiten so stark und komplex ist wie bei diesen.

N. N. (Name der Redaktion bekannt)

Fortschritt ist was anderes

«Nahostkonflikt: Rückkehr oder Fortschritt?», WOZ Nr. 14/2018

Unter dem Titel «Rückkehr oder Fortschritt?» schlägt Markus Spörndli eine Alternative zum palästinensischen Rückkehrrecht vor, in der ich nichts Fortschrittliches erkennen kann. Am skizzierten Konzept halten die meisten Staaten seit Jahrzehnten erfolglos fest. Erfolglos, weil sie bewusst ausklammern, dass Besatzung, Vertreibung und andere repressive Aspekte der israelischen Politik einen gemeinsamen Nenner haben und nicht getrennt voneinander lösbar sind.

Israel ist ja nicht Besatzungsmacht, weil die PalästinenserInnen so gefährlich wären, sondern weil es sein Territorium ungebremst auf Kosten der palästinensischen Bevölkerung ausweitet. Deshalb ist das Rückkehrrecht auch das logische Gegenstück zur Nakba oder Vertreibung, die selbst auf israelischem Staatsgebiet und in Jerusalem kontinuierlich weitergeführt wird. Solange die Logik des «jüdischen Staates» nicht durchbrochen wird – was ohne Druck von aussen wohl illusorisch ist –, kann von einer sinnvollen Lösung keine Rede sein. Die wenigen fortschrittlichen Kräfte in Israel begrüssen die Perspektive einer gleichberechtigten multiethnischen Gesellschaft und diskutieren Optionen für die konkrete Umsetzbarkeit der Rückkehr der Flüchtlinge im israelischen Kernland. Was den Flüchtlingsstatus betrifft, ist übrigens nicht die aus propagandistischen Gründen oft betonte «Vererbbarkeit» ausserordentlich, sondern die Tatsache, dass der verantwortliche Staat die Rückkehr auch siebzig Jahre nach der Vertreibung verweigert und dies so hingenommen wird, während in den meisten anderen Konflikten von der internationalen Gemeinschaft die Rückkehr als wichtige Option gefördert wird.

Birgit Althaler, Palästina-Solidarität Region Basel