RebellInnenrätsel: Der Komiker, der keiner sein wollte

Nr. 22 –

Andere hatten Pointen, er hatte – ja, was denn eigentlich? Sein Job als Komiker wäre ja gewesen, die Leute zum Lachen zu bringen. Stattdessen brachte er sie auf die Palme, oder er liess sie ratlos zurück. Und weil niemand wusste, in welcher Schublade dieser Sonderling zu versorgen wäre, wurde er mit jeder avantgardistischen Strömung verglichen, die gerade zur Hand war. Er galt als Pirandello der Comedybühne oder als Dadaist im Showzirkus.

Geboren in einer kleinbürgerlichen Vorstadt auf Long Island, tingelte er ab den siebziger Jahren durch die New Yorker Comedyszene. Gags im landläufigen Sinne bot er schon damals kaum. Auf der Bühne gab er sich als Immigrant aus einem erfundenen Inselstaat aus, und wenn er Berühmtheiten imitierte, blieben diese meist unkenntlich unter seinem fremdländischen Akzent – aber als Elvis war er dann überragend. Wenn er doch mal zu einem Witz ausholte, erzählte er ihn so umständlich an allen Pointen vorbei, dass gerade das erst recht lustig war.

Landesweit bekannt wurde er 1975 mit einem Gastauftritt in der allerersten Ausgabe der TV-Show «Saturday Night Live». Als treuherziger Mechaniker in einer Sitcom spielte er sich bald darauf in die Herzen des TV-Publikums. Später gab er ein grosses Gastspiel in der erlauchten Carnegie Hall, im Saal sass Andy Warhol – und nach der Show lud der Gesuchte das Publikum zu einem Mitternachtsimbiss mit Milch und Keksen ein, als wärs ein netter Kindergeburtstag.

Sonst aber verlegte er sich immer radikaler auf die Kunst der Verweigerung. Es kam vor, dass er auf der Bühne einfach nur aus «The Great Gatsby» vorlas, mit gestelztem britischem Akzent. Als der Protest aus dem Saal zu laut wurde, liess er sich erweichen, eine Schallplatte abzuspielen – aber da war dann wieder nur er selber zu hören, wie er «The Great Gatsby» rezitierte. Besonders lästig war er als grotesk kostümierter Schlagersänger, der sich für seinen Mangel an Talent rächte, indem er das Publikum drangsalierte. Weil ihm die Rolle als öffentliches Ärgernis so behagte, wechselte unser Mann auch noch in den Wrestlingzirkus. Mit Vorliebe balgte er sich dort mit Frauen – als obszöner Antifeminist, der den Geschlechterkampf mit Muskelkraft ausfechten wollte.

Furchtlos führte er so die Mechanismen des Starkults vor, wobei er seinen eigenen Ruhm bis zur Selbstdemontage aufs Spiel setzte. Ganz zuletzt hatte er nochmals eine bittere Pointe parat: Der Nichtraucher starb, erst 35-jährig, an Lungenkrebs. Wer war der Komiker, der von sich behauptete, er habe noch nie im Leben einen Witz erzählt?

Wir fragten nach dem kontroversen US-Komiker Andy Kaufman (1949–1984), der mit seinen sonderbaren Auftritten die Grenzen des Showbusiness strapazierte. Von der Rockband R.E.M. wurde er später im Song «Man on the Moon» besungen. Mit dem gleichnamigen Spielfilm von 1999 setzte ihm schliesslich der jüngst verstorbene Regisseur Milos Forman ein schillerndes Denkmal, mit einem kongenialen Jim Carrey in der Hauptrolle.