Im Affekt: Alles so schön ruhig hier
«Ganzes Areal Rollbrettfahren verboten. Der Gemeinderat». Das Verbotsschild inklusive Zeichnung eines durchgestrichenen Skaters prangte eines Tages an der Mauer des Sportplatzes unserer Schule. AnwohnerInnen hatten sich über den Lärm der Rollbretter beschwert. Das heftige Knallen, wenn die Jungen ihre Tricks übten, raube ihnen den Schlaf.
Das war vor 25 Jahren – seither hat sich nicht viel verändert: Die Stille scheint das höchste Gut einer zivilisierten Gesellschaft zu sein und deshalb äusserst erstrebenswert. Das Recht auf Ruhe wird immer wieder eingefordert – heute vermutlich von jenen, die damals Lärm verursachten. Ruhig sein soll es vor allem über Mittag, damit man ungestört essen kann, und in der Nacht, weil man schliesslich nur bei absoluter Stille schlafen kann.
Diese Sehnsucht nach Stille führt zu ziemlich absurden Auswüchsen: Es gibt Sportplätze, auf denen das Fussballspielen über Mittag und am späten Abend verboten ist, Spielplätze, die zu bestimmten Zeiten nicht betreten werden dürfen, jahrelange Rechtsstreite wegen Kuh- und Kirchenglocken und immer wieder Nachbarschaftskonflikte wegen Konzerten. Meist wird dabei das Recht auf Ruhe höher gewichtet als alles andere. So aktuell im Berner Lorrainequartier: Weil ein einziger Anwohner eine Lärmklage gegen Konzerte im Garten der Brasserie Lorraine gemacht hat (die Konzerte enden jeweils um 22 Uhr), dürfen diese nicht mehr stattfinden – selbst wenn hundert andere AnwohnerInnen nichts gegen die Konzerte haben.
Während also im ganzen Lande Musik, Kindergeschrei und Glockengeläut zum Schweigen gebracht werden, fordert der Bund, unterstützt von der Autolobby, breitere Strassen für immer grössere Autos, die Tag und Nacht laut dröhnend durch die Strassen kurven. Lärm ist eben nicht gleich Lärm.
Oder wie schon Kurt Tucholsky wusste: «Der eigene Hund macht keinen Lärm – er bellt nur.»