Neues aus der Wissenschaft: Elektroschocks zum Wohl der Tiere?

Nr. 35 –

Start-ups treten oft als knallharte Kapitalisten mit Weltverbesserungsanspruch auf. Entsprechend berichtet «Technology Review» online über die Innovation der norwegischen Firma Nofence: ein Halsband mit GPS-Sensorik, «mit dem man Ziegen und andere grasende Tiere quasi fernsteuern kann» – auf dass sie «über viele Wochen alleine ihrer Fressarbeit nachgehen». Via App auf dem Smartphone lässt sich der gewünschte Weidebereich einzeichnen. Überschreitet die Ziege diesen, versetzt ihr das Halsband einen Elektroschock: «Die Tiere verstehen laut Aussagen von Nofence schnell, dass sie umkehren müssen, und bleiben brav im virtuell umzäunten Gebiet.»

Tierquälerei? Ganz einfach, indem man mit dem Zeigefinger über den Bildschirm wischt? Wer die Website des Start-up-Unternehmens aufruft, gerät erst mal ins Staunen: «Verschaff deinen Tieren Zugang zu besserem und abwechslungsreicherem Weideland», steht da als Erstes. Das Feedback der KundInnen? Euphorisch – mehr «quality time» mit den Tieren! Das tönt definitiv weniger nach ökonomischer Nutzenmaximierung als, paradoxerweise, nach Verbesserung des Tierwohls.

Zumal die sechs HerstellerInnen nicht nur betonen, der leichte Elektroschock sei nur das äusserste Mittel, falls die ersten beiden Warnstufen – ein Vibrieren des Halsbands und ein zunehmend hochfrequenter Ton – versagen würden. Sie legen ihren KundInnen auch ans Herz, sich an den Bedürfnissen der Ziegen zu orientieren und namentlich die Grenzlinien nicht zu eng oder verwinkelt zu ziehen.

Und dann dies: «Wir empfehlen dir, selber ins Weideland und wieder raus zu gehen und dabei ein Halsband zu tragen.» Auch sie, die HerstellerInnen, hätten es ausprobiert. Und wir fragen uns: Leiden die im hohen Norden an falsch verstandenem Tierwohl, oder werden da noch ein paar andere Grenzen überschritten?

Freiheitsliebende Ziegen suchen den Schatten und fliehen nachts: Die Halsbänder sind solarbetrieben.