Im Affekt: Der kürzeste Witz der Zürcher Politik

Nr. 3 –

In Beijing gibts den Platz des Himmlischen Friedens, in Zürich haben wir jetzt eine neue Attraktion: den Platz des bürgerlichen Stillstands. Er liegt im Herzen der Stadt, und wer dort Sightseeing macht, kann sehr kompakt drei Jahrzehnte kantonale Misswirtschaft erkunden. Marode Gebäude, die seit Ewigkeiten nicht saniert wurden, ein weitläufiges Areal ohne Zukunft: Es ist ein eindrückliches Freilichtmuseum der geistigen Blockade, das die bürgerliche Mehrheit im Zürcher Kantonsrat hier erschaffen hat.

Die Rede ist natürlich vom kürzesten Witz der Zürcher Politik: Kasernenareal! Die Debatte um dessen Umnutzung ist ein Trauerspiel, das schon vierzig Jahre läuft, mit der immer gleichen schlechten Pointe. Seit die Armee aus den Zeughäusern auszog, wurden immer wieder Ideen und Projekte herumgeboten, wie man die einstige Militäranlage umfassend für die Bevölkerung öffnen könnte. Kürzlich einigten sich die bürgerliche Kantonsregierung und der rot-grüne Stadtrat endlich auf einen breit abgestützten Nutzungsplan, wobei der Kanton, der die stolzen Gemäuer über Jahrzehnte verlottern liess, nur etwas mehr als die Hälfte der Sanierungskosten hätte bezahlen müssen.

Und der bürgerliche Kantonsrat? Der bremste das Vorhaben nun auf der Zielgeraden aus, weil er fürchtete, die Stadt könnte das Gelände zu einem Ableger der Berner Reithalle aufrüsten. Die Bürgerlichen, wie die Stadtzürcherin Sonja Rueff-Frenkel (FDP), würden dort lieber Start-ups ansiedeln. Der Witz daran: Ein paar Schritte weiter, an der Europaallee, lässt der rot-grüne Stadtrat gerade eine Konsummeile hinklotzen, die den Freisinn vor Neid erblassen lässt, mit Google und Outdoor und Start-ups. Aber bei der Kaserne, so die Angst der Bürgerlichen, zieht dieser rot-grüne Stadtrat dann sicher irgendwas gefährlich Alternatives auf, wo doch Start-ups viel wichtiger wären.

So hat jedes Lager den Prestigebau, den es verdient: Die Sozis haben ihre Europaallee, die Rechten feiern ihre Zukunft auf dem Platz des bürgerlichen Stillstands.

Start-ups sind bekanntlich das Tourette der Einfallslosen. Wer politisch keine Ideen hat, ruft einfach: «Start-ups!» Geht immer.