#digi: Analoge Armut

Nr. 5 –

Lieferdrohnen, Crowdworking, Self-Checkout-Kassen oder Datenkraken: Die Digitalisierung verändert unsere soziale Welt radikal. Dabei drohen vor allem sozial Benachteiligte unter die Räder zu kommen. Denn gegen Armut oder für mehr Verteilungsgerechtigkeit bieten die digitalen Werkzeuge bisher kaum Lösungen. Der Grund: Techkonzerne sind von knallhartem kapitalistischem Kalkül getrieben. Darin finden Arme keinen Platz – mit ihnen lässt sich schlicht kein Geld verdienen. Kein Wunder, standen die sozialen Folgen der Digitalisierung im Mittelpunkt der diesjährigen sozialpolitischen Tagung des Hilfswerks Caritas.

Die Digitalisierung müsse so geformt werden, dass die gesellschaftliche Solidarität nicht untergraben werde. Das forderte Mariangela Wallimann-Bornatico, Präsidentin von Caritas Schweiz, in ihrer Eröffnungsrede. Das bedeute auch, digitale Prozesse aus der Perspektive sozial Benachteiligter zu denken. «Die Digitalisierung ist nicht bloss eine technische Entwicklung. Sie muss politisch gestaltet werden», verlangte sie. Doch die Politik schläft. Das veranschaulichte Bettina Fredrich, Leiterin Sozialpolitik bei Caritas. So sieht der Bundesrat in einem Bericht von 2017 «keine Auswirkungen der Digitalisierung auf das System der sozialen Sicherheit». Gleichzeitig scheiden jährlich 40 000 Menschen ungewollt aus dem Arbeitsmarkt aus; auch prekäre Arbeitsverhältnisse nehmen zu. So führen die Flexibilisierung und die Arbeit via Vermittlungsplattformen auch nicht zu mehr Freiheit. Gemäss Travail Suisse hat sich in den letzten drei Jahren «der Anteil derjenigen ohne Einfluss auf die Arbeitszeiten von 13,1 auf 17,8 Prozent erhöht».

Es braucht also dringend politische und rechtliche Massnahmen, damit die Prekarisierung der Arbeitenden durch die Digitalisierung nicht noch weiter zunimmt. Diverse Urteile in Frankreich oder Grossbritannien zeigen, dass sich Anbieter wie Uber nicht ihre eigene Realität schaffen können. Sogenannte Vermittlungsplattformen sind eben doch meist mehr als das: Arbeitgeber mit entsprechenden Pflichten. Die Arbeitenden sind den Algorithmen, Preisstrukturen und Arbeitsbedingungen der Plattformen oft schutzlos ausgeliefert. Deshalb fordern verschiedene RednerInnen neue Gesamtarbeitsverträge für atypische Arbeitsfelder. Nur so könne ein digitales Prekariat verhindert werden.