Kommentar zur Klimadebatten-Kultur: Gerecht auf null

Nr. 13 –

Anstatt sich in der SRF-«Arena» von Jonas Projer aufpeitschen zu lassen, lancierten die Klimajugendlichen letzte Woche eine Gegenveranstaltung.

«Die SRF-‹Arena› zum Klimawandel zeigte eindrücklich, dass die Sendung nicht als Diskussionsforum taugt», schrieb das Branchenportal «Medienwoche». «Arena»-Moderator Jonas Projer gehe es nur darum, dass es «knallt»; die Sendung verkomme zur «Aneinanderreihung von Statements» und zu einem quotengeilen Schlagabtausch.

Wie tendenziös sich der Moderator immer wieder nach rechts schmiegt, zeigte sich einmal mehr vor zwei Wochen in besagter Sendung: Der Perspektive der sogenannten Realität bot er weitaus mehr Raum als den «grünen Träumen», wie er sie nannte. Seine Realisten: Gewerbeverbandspräsident Hans-Ulrich Bigler, der für das Nuklearforum Schweiz lobbyiert, SVP-Nationalrat Claudio Zanetti und Jean-Philippe Kohl, Vizedirektor des Maschinen-, Elektro- und Metallverbands. Diesen gegenüber standen zwanzig Klimajugendliche – die allerdings von der zweiten Reihe aus gegen die Vollblockade der rechtsbürgerlichen Politiker argumentieren mussten.

Respektvoll und unharmonisch

Der Frust der AktivistInnen war gross, ihre Reaktion pragmatisch: Am vergangenen Freitag lancierten sie im Zürcher Kulturhaus Kosmos die «KlimaArena». Eingeladen waren BDP-Nationalrat Martin Landolt, CVP-Nationalrat Philipp Kutter, SP-Nationalrätin Samira Marti, die Klimawissenschaftlerin Sonia Seneviratne, die ETH-Ökonomin Irmi Seidl sowie die AktivistInnen Gianluca Looser und Rahel Ganarin. Das «Kosmos» war gerappelt voll, einige fieberten sogar durch die Fensterscheiben mit, und auch bei der Liveübertragung in der Buchhandlung nebenan waren sämtliche Plätze belegt.

Moderator Dominic Täubert eröffnete mit einer Atemübung und mit den Spielregeln zur «respektvollen Diskussionskultur»: Wortmeldungen sollten per Handzeichen signalisiert, sich ins Wort zu fallen vermieden werden. Im Anschluss diskutierte die Runde Strategien, wie sich die inländischen Treibhausgasemissionen bis 2030 auf netto null begrenzen liessen.

Respektvoll blieb es, harmonisch weniger. Der «Realismus» der Bürgerlichen Landolt und Kutter – sie mahnten, «aufgrund politischer Erfahrung» seien die Ziele der Klimabewegung nur schwer zu erreichen – stiess auf nur zaghaften Applaus. Die AktivistInnen wiederum führten vor Augen, warum die Pariser Klimaziele nur mit radikalem Wandel zu erreichen seien.

Auch über die Strategien war man sich nicht einig. CVP-Mann Kutter beharrte auf freiwilligem Verzicht, BDP-Parlamentarier Landolt auf möglichst schnell umsetzbaren technischen Massnahmen: «dumme Autos oder dumme Ölheizungen», aber auch Inlandflüge verbieten. Ein neues, soziales System sei zwar erstrebenswert, müsste aus Zeitgründen aber hintangestellt werden, meinte er.

Verzicht als Qualitätsgewinn

Ob radikale Massnahmen den Wirtschaftsstandort in Gefahr bringen? Nur für die wenigen Firmen mit hohen Emissionen, so Ökonomin Seidl. Das Problem sei aber, dass deren Interessen weiterhin von grossen Verbänden vertreten würden. Es gehe nicht primär darum, Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen, fand CVPler Kutter. Stattdessen brauche es «einen Ausgleich zwischen sozialen und ökologischen Anliegen». Denn radikale Ziele seien schnell im eigenen Portemonnaie zu spüren.

«Ökologische Faktoren produzieren bereits jetzt Ungleichheiten», entgegnete Samira Marti, «insbesondere im Globalen Süden.» Das Soziale gegen die Klimaziele auszuspielen, sei falsch. Auch Aktivist Looser hatte dazu eine klare Meinung: Es brauche die gesellschaftliche Akzeptanz dafür, dass globale ökosoziale Ungleichheiten bekämpft werden müssten. «Klimagerechtigkeit ist das Wichtigste.»

Ohne Berührungsängste steuerte Moderator Täubert die «KlimaArena» in Richtung ewig tabuisierter Themen: Ist Wirtschaftswachstum überhaupt notwendig? Und warum wird die Rolle des Schweizer Finanzplatzes im CO2-Gesetz nicht diskutiert? Nach Seidls ökonomischen Ausführungen konnte man sich Verzicht plötzlich als grossen Qualitätsgewinn vorstellen. Die Jugendlichen wiederum haben vorgemacht, was sich die Linke merken sollte: die ökologische Diskussion mit klarer sozialer Haltung aus den eigenen Reihen herauszuführen und sich von reaktionären Stimmen nicht ablenken zu lassen.