LeserInnenbriefe
Homöopathie
«Kost und Logis: Ein Fingerhut im Ozean», WOZ Nr. 12/2019
Schade, dass diese Hexenjagd auch in der WOZ gepflegt wird. Ein so unseriöses und von keiner Recherche belastetes Argument wie «Ich kann mir nicht vorstellen, dass» findet man allerdings selten. Wenn die Autorin glaubt, dass man die Liste der Antidote von Hahnemann einfach so überall anwenden könnte, hat sie wirklich nichts verstanden – und offenbar noch nie mit jemandem gesprochen, der oder die langjährige positive Erfahrungen hat und differenziert über die Bedingungen einer erfolgreichen homöopathischen Behandlung berichten kann. Geschweige denn die wissenschaftstheoretischen Überlegungen zur unbestreitbaren Anomalie der Homöopathie zur Kenntnis genommen.
Ich persönlich bin nicht nur von chronischen Beschwerden geheilt worden, sondern habe schwerste Krankheiten mithilfe verantwortungsvoll praktizierter klassischer Homöopathie überstanden und das mit den beteiligten Schulmedizinern immer offen diskutiert. Ich könnte auch einiges dazu sagen, wo ich die Grenzen sehe. Mittlerweile bin ich aber nicht mehr bereit, Leute, die sich bei banalsten Krankheiten unter massivem Antibiotika- und Chemie-Abusus behandeln lassen, atemberaubende Nebenwirkungen als unvermeidlich in Kauf nehmen und dann noch mit ihren Ausscheidungen und dem Beitrag zur Resistenzzüchtung bei Keimen unnötig unsere Umwelt belasten, als aufgeklärte Zeitgenossen zu betrachten. Zumal ich gesetzlich gezwungen werde, diese immer umweltschädlichere und kostenintensivere Lebensform mit meinen Kassenprämien mitzutragen. Dieser Zwang und die dogmatische Intoleranz gegenüber Leuten, die einen anderen Weg gehen, wären mal einen Artikel wert, der sich in der heutigen Presselandschaft vorteilhaft abheben würde.
Prof. Dr. Brigitte Hilmer, per E-Mail
Ich möchte der Autorin ein Kränzlein winden. Jedes Mal, wenn ich die WOZ in den Händen halte, lese ich zuerst ihre Rubrik «Diesseits von Gut und Böse», und die bringt mich meistens zum Schmunzeln oder zumindest zum zustimmend Nicken. Jetzt bin ich einmal ein Kompliment schuldig: Die Glosse zur Homöopathie ist ein richtiges Bijou, so gut, dass ich es überall herumbiete und sogar eingescannt habe, damit ich es aufbewahren und bei Gelegenheit hervorholen kann. Herzlichen Dank!
Annemarie Gehring-Ketterer, Winterthur
Fragwürdig
«Psychotherapie: Es geht auch ohne Delegieren», WOZ Nr. 11/2019
In der momentanen Auseinandersetzung zu diesem Thema wird mit dem Argument der prekären Versorgungssicherheit bei der Behandlung psychisch kranker Menschen für das Anordnungsmodell geworben. Dabei soll, wie bei der Physiotherapie, jede niedergelassene Ärztin eine Psychotherapie anordnen können.
Bei einer genaueren Betrachtung dieser Dynamik lohnt es sich, den Blick auf das Gesundheitssystem unseres nördlichen Nachbarn zu richten. Mit denselben Argumenten drängen in Deutschland seit 1999 die PsychologInnen in die Grundversicherung. In den Nachuntersuchungen zur Versorgungssicherung hat sich jedoch gezeigt, dass weder die Wartezeiten noch die Versorgungsmisere in ländlichen Gegenden noch die Behandlungsdauer abgenommen haben. Das Gegenteil ist der Fall. Durch die Fragmentierung des Budgets kam es zu einem Tarifzerfall. Der Verdienst von nichtärztlichen Therapeutinnen sank auf das Niveau von Schweizer Reinigungskräften und die Psychiaterinnen müssen ihre Patientinnen im Viertelstundentakt behandeln. Ein bedrohlicher Leistungsabbau in der Behandlung schwer kranker Patientinnen ist im Gang und ein Ende dieses Kahlschlags ist nicht in Sicht. Heute hat eine Psychiaterin noch siebzig Minuten im Quartal zur Verfügung, um einen an Schizophrenie Erkrankten zu behandeln.
Das Anordnungsmodell mit an die 7000 relativ heterogen ausgebildeten Psychologinnen, die in die Grundversicherung drängen, wird das Gesundheitsbudget mit schätzungsweise einer zusätzlichen halben Milliarde Franken belasten. Die derzeit störungsunabhängig gewährten vierzig Stunden nichtärztliche Psychotherapie werden dann der Geschichte angehören. Chronisch Kranke werden massiv unterversorgt sein, die Löhne von Betreuungspersonal in Wohnheimen und Pflegepersonal in stationären und ambulanten Einrichtungen werden sinken. Im Übrigen gibt es in der Schweiz genügend Psychiaterinnen. Etwa ein Drittel der Anzahl Psychiaterinnen in Deutschland, das eine zehnfach höhere Gesamtbevölkerung zählt. Wenn sie aufhören, im Seefeld Neurotikerinnen zu behandeln und sich stattdessen gut verteilt auf das ganze Land um die erheblich Kranken kümmern, gibt es keine Versorgungsengpässe und lange Wartezeiten mehr.
Dr. med. Kaspar Schnyder, FMH Psychiatrie und Psychotherapie, Einsiedeln