WOZ-Sieg vor Bundesgericht: Wer liefert die Waffen?
Vier Jahre lang kämpfte die WOZ durch alle Instanzen, nun hat uns das Bundesgericht Recht gegeben: Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), darf die Liste der Waffenexporteure nicht mehr geheim halten.
Gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz, verlangte die WOZ im April 2015 Einsicht in die Liste der Schweizer Rüstungsfirmen, die im Jahr davor Kriegsmaterial ausgeführt hatten. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) verweigerte die Herausgabe der Informationen, die WOZ beschritt den Rechtsweg. Kurz vor dem Osterwochenende – vier Jahre später also – ist nun Post vom Bundesgericht eingetroffen. Es hat entschieden: Das Seco muss die Liste veröffentlichen.
Hintergrund des fünfjährigen Rechtsstreits war eine Recherche zu einer Handgranatenlieferung: Im Sommer 2012 wurde publik, dass im syrischen Bürgerkrieg Handgranaten des bundeseigenen Rüstungskonzerns Ruag aufgetaucht waren. Die Handgranaten waren über die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) nach Syrien gelangt. Dorthin waren sie 2003 und 2004 aus der Schweiz geliefert worden. Die VAE verschenkten einen Teil der Ruag-Granaten jedoch umgehend an Jordanien weiter – angeblich zur Unterstützung im Kampf gegen den Terror: ein klarer Verstoss der VAE gegen eine Nichtwiederausfuhrerklärung, die das Land unterzeichnet hatte.
Und was tat die Schweiz? Sie untersuchte den Vorfall einen Monat lang – gemeinsam mit den VAE. Am Ende beschloss der Bund etwas strengere Nichtwiederausfuhrbestimmungen; den Bewilligungsstopp für Waffenexporte in die VAE hob das Seco nach einem Monat wieder auf. Eine Farce, zumal das Land bereits 2005 eine Nichtwiederausfuhrvereinbarung mit der Schweiz gebrochen hatte.
Die Beschäftigung mit der Handgranatenlieferung führte zur Frage, welche Rolle das Seco als Kontrollbehörde eigentlich einnehme – eine Frage, die sich bisher nur unbefriedigend beantworten liess, weil das Seco praktisch über die Informationshoheit in diesem politisch umstrittenen Bereich verfügte.
Das Seco stellt den Umfang der Rüstungsindustrie kleiner dar, als er tatsächlich ist: Das Amt bereitet nur die Zahlen zum Export von Kriegsmaterial übersichtlich auf, nicht jedoch die Zahlen zu sogenannten besonderen militärischen Gütern wie Trainingsflugzeugen oder Simulatoren sowie zu Gütern, die zivil und militärisch genutzt werden können.
Vor allem aber publiziert das Seco bisher nur Statistiken zur Höhe der Schweizer Waffenexporte – aufgeschlüsselt nach Empfängerstaaten und Produktkategorien –, liefert aber keinerlei Angaben zu den Firmen, die das entsprechende Kriegsmaterial herstellen. Während grosse Rüstungsunternehmen wie Ruag oder Mowag öffentlich bekannt sind, bleibt der Schweizer Rüstungsmarkt in seiner Tiefe bisher weitgehend eine Blackbox.
Vor diesem Hintergrund verlangte die WOZ Einsicht in die Liste der Schweizer Kriegsmaterialexporteure – was das Seco beharrlich verweigerte. Eine Öffentlichmachung tangiere Geschäftsgeheimnisse und beeinträchtige die aussenpolitischen Interessen der Schweiz, argumentierte das Bundesamt. Dieser Argumentation folgten jedoch weder der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte noch das Bundesverwaltungsgericht. Doch das Seco zog den Fall ans Bundesgericht weiter.
Nach dessen Urteil sagt Martin Stoll, Geschäftsführer des Vereins Öffentlichkeitsgesetz.ch: «Das Verfahren zeigt, dass sich das Seco nicht zum Öffentlichkeitsprinzip bekennt.» Mit einer bemerkenswerten Hartnäckigkeit habe das Amt versucht, einen Geheimnisbereich zu schaffen, um das umstrittene Waffenexportthema ohne öffentliche Einmischung abhandeln zu können. «Ich hoffe, die Seco-Leitung definiert nach diesem unmissverständlichen Urteil ihr Verhältnis zur Öffentlichkeit neu und sieht ein, dass es primär im Auftrag der Öffentlichkeit unterwegs und dieser auch verpflichtet ist.»
Die WOZ hat unverzüglich die Veröffentlichung der Liste verlangt – und hofft, sie bald publizieren zu können. Das Seco sagt, man habe das Urteil zur Kenntnis genommen und bespreche nun das weitere Vorgehen.
Der Recherchierfonds des Fördervereins ProWOZ trug die finanziellen Risiken des Verfahrens. www.prowoz.ch