Sandro Pedroli (1923–2019): Antifaschist und Arzt mit Leib und Seele

Nr. 27 –

Es war in den sechziger Jahren vor dem spanischen Konsulat an der Stampfenbachstrasse in Zürich, an einer Demonstration gegen das unbarmherzige Vorgehen des Franco-Regimes gegen oppositionelle StudentInnen. Plötzlich wurde es ruhig auf dem Platz: Ein Mann mit Spitzbart und roter Mütze stieg auf ein improvisiertes Podest und hielt eine feurige Rede auf Italienisch.

Sandro Pedroli, der damals das Komitee «Amnestie für die politischen Gefangenen in Spanien» präsidierte, war ein mutiger Kämpfer gegen den Faschismus, für die Freiheit und gegen ein System der Unterdrückung und der Klassenherrschaft. Sein Vater, ein Tessiner, führte eine Linoleumvertretung in Turin. Sandro schaffte den Sprung an die dortige Universität und studierte zur Zeit von Mussolinis Faschismus Medizin. Bereits damals war er als Partisan in der Gruppe Giustizia e Libertà aktiv. Unter dem Decknamen Barba Svizzera erstellte er mit seinen Compagni antifaschistische Flugblätter auf dem alten, nach Spiritus riechenden Matritzendrucker. Nur mit viel Glück konnten sie einst eine bereits erstellte Matritze, die zu einem Aufstand aufrief, vor einer faschistischen Gruppe verbergen, die in ihre Wohnung eingedrungen war.

Sandro wurde Arzt und kehrte erst nach dem Ende des Nazifaschismus mit seiner Lebenspartnerin in die Schweiz zurück. 1953 eröffnete er am Albisriederplatz eine Praxis. Er behandelte viele italienische ArbeitsmigrantInnen, die in beengenden Verhältnissen in Baracken leben mussten. Er wusste um deren Ausbeutung und seelische Nöte. Später dokumentierte er Folterspuren bei den ersten chilenischen Flüchtlingen, lange bevor sich die akademische Welt der Erforschung traumatisierter Menschen widmete. 1968 war Sandro Pedroli Mitunterzeichner des «Zürcher Manifests». Er half den verletzten DemonstrantInnen unbürokratisch und behandelte sie ärztlich. Die Verbindung von politischem Engagement und ärztlicher Tätigkeit führte er in der im Herzen antifaschistischer Kämpfe gegründeten CSS (später Medico International Schweiz) als deren Präsident weiter. Hilfe kann nicht neutral sein, war sein Credo.

Am 18. Juni ist Sandro Pedroli im Alter von 96 Jahren verstorben. Grazie mille!

Maja Hess ist Präsidentin von Medico International Schweiz.