Energiewende: Strom aus Eierschalen?

Nr. 39 –

Batterien spielen eine Schlüsselrolle für den Sprung ins postfossile Zeitalter. Aber die am weitesten verbreitete Lithiumionenbatterie birgt Risiken. Deshalb tüfteln ForscherInnen weltweit an neuen Batterietypen. Über die schwierige Suche nach Alternativen.

Bei Kurzschluss knallts: Wird ein Lithiumionenakku in ein Glas voller ­Schraubenmuttern gesteckt, kommts schon nach wenigen Sekunden zur Explosion. Foto: Empa

«Explosion in der Hosentasche», «Batterie schiesst direkt ins Herz», «Tesla beginnt plötzlich zu brennen». Ursache: ein Lithiumionenakku. Solche Akkus bergen, wie die Schlagzeilen zeigen, im Gebrauch ein Sicherheitsrisiko, da sie brennbare Flüssigkeiten enthalten. Darin können sich, unter ungünstigen Bedingungen wie sehr tiefen Temperaturen, Dendrite bilden. So nennt man metallische Lithiumfäden, die sich wie Fühler von der einen Elektrode zur anderen strecken. Entsteht so ein Kontakt zwischen Pluspol und Minuspol, fliesst schlagartig Strom, und die Batterie beginnt zu glühen.

Neue Technologien müssen her, darüber ist man sich einig. Und dabei sind Sicherheitsrisiken noch die kleinste Sorge. Die globalen Lithiumreserven sind auf einige wenige Länder verteilt und ihr Abbau mit wachsenden ökologischen und sozialpolitischen Problemen verknüpft (siehe WOZ Nr. 49/2017 ). Mittlerweile landen über fünfzig Prozent des geförderten Lithiums in Batterien – von Handys über E-Zigaretten bis zu Elektroautos. Und die Nachfrage wird bis im Jahr 2050 nochmals um das Zehnfache steigen, will man die Energiewende schaffen. Denn ohne Kernkraft und ohne fossile Energieträger wie Erdöl oder Kohle braucht es Batterien, die erneuerbare Energien speichern und bei Bedarf Strom liefern. Sie treiben den Elektromotor im Auto an und flexibilisieren als Zwischenspeicher bei Energiespitzen – wenn die Sonne scheint – das Stromnetz.

Eine Alternative zum Lithiumionenakku könnten Salzwasserbatterien sein, die nicht nur ohne Lithium auskommen, sondern in denen auch die entzündlichen Elektrolyten durch eine wässrige, nicht brennbare Flüssigkeit ersetzt werden. An einer solchen Batterie tüftelt die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa).

Sieben Kilo Salz pro Liter

Vom Prinzip her funktioniert eine Salzwasserbatterie gleich wie alle Batterien: Metallionen lösen sich aus dem Minuspol und wandern durch einen Elektrolyten – in diesem Fall einen wässrigen – zum Pluspol. Vor kurzem vermeldeten die ForscherInnen aus Dübendorf, dass sie mit ihrer Salzwasserbatterie die bis anhin höchste Energiedichte verglichen mit anderen Batterien dieses Typs erreicht hätten. «Es sieht vielversprechend aus», sagt David Reber, Chemiker an der Empa und beteiligt an der Entwicklung der neuen Technologie. «Unsere Batterie ist jetzt schon besser als die heutigen, giftigen Bleiakkus.» Gegen die Lithiumionenbatterie, die eine Spannung von 3,6 Volt liefert, komme sie aber noch nicht an.

Weil reines Wasser bereits bei einer Spannung von 1,2 Volt in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff zerfällt, fügten Reber und seine KollegInnen dem wässrigen Elektrolyten ein spezielles Natriumsalz hinzu, das extrem gut löslich ist: In einem Literkrug Wasser lassen sich gut sieben Kilogramm Salz lösen. So fertigte das Team eine Batterie, die Spannungen von 2,6 Volt übersteht.

Das ist immer noch weniger als bei Lithiumionenbatterien, weshalb für die gleiche Energiemenge eine grössere Batterie nötig ist. Das macht eine Salzwasserbatterie zwar untauglich für mobile Anwendungen wie Elektroautos. Aber als stationärer Energiespeicher, also zum Zwischenspeichern von Wind- und Solarstrom, ist sie durchaus einsetzbar. Denn hier spielen Grösse und Gewicht einer Batterie nur eine untergeordnete Rolle. Viel wichtiger sind der Preis und die Sicherheit solcher Installationen, und da ist die Salzwasserbatterie potenziell im Vorteil.

«Speicherbatterien ohne Lithium würden die Ressourcennachfrage nach diesem Rohstoff enorm entlasten», sagt Maximilian Fichtner, Leiter des deutschen Forschungsverbunds Post Lithium Storage. Will man nämlich ohne fossile Energieträger Gebäude heizen oder ganze Städte mit Strom versorgen, wird sich die globale Nachfrage nach Speicherbatterien bis 2030 gut verzehnfachen. Und um Lithiumionenbatterien zu ersetzen, so Fichtner, brauche es nicht die eine Universallösung, sondern je nach Anwendungsgebiet die passende.

Nicht nur Lithium ist ein Problem

Ein Grund für den Siegeszug der Lithiumionenbatterie ist, dass das Element Lithium extrem leicht ist und eine hohe Energiespeicherdichte aufweist. Das macht die Batterien klein, rasch auf- und entladbar und enorm leistungsfähig. Ausserdem besitzt die Lithiumionenbatterie einen grossen Vorsprung punkto Forschung und Entwicklung. So hat sich ihre Kapazität seit der Markteinführung 1991 verdreifacht. Die Zahl der Ladezyklen ist von einigen Dutzend auf mehrere Tausend bis Zehntausend gestiegen. Und die Kosten sind auf ein Zwanzigstel gesunken. Bei fast allen alternativen Batterietypen steht man sozusagen noch in der Phase vor 1991.

«Zumindest in der Theorie haben wir einige Alternativen, die der Lithiumionenbatterie für gewisse Anwendungen überlegen sein können», sagt Fichtner. Die laut ihm am weitesten fortgeschrittene Alternative ist die Natriumionenbatterie. Sie ist ähnlich aufgebaut, nutzt aber Natrium statt Lithium. «Ich rechne damit, dass sie in zwei bis drei Jahren marktreif sein wird.» Neben Natriumionen tüfteln die ForscherInnen um Fichtner auch mit anderen Metallen, etwa Magnesium- oder Aluminiumionen.

Wegkommen möchte man in den Batterien der Zukunft nicht nur von Lithium, sondern auch von kritischen Materialien – allen voran Kobalt, das in den Lithiumionenbatterien als Kathode zum Einsatz kommt. Es wird zu einem grossen Teil durch Kinderarbeit gewonnen und kommt praktisch nur in der politisch instabilen Republik Kongo vor. Inzwischen definiert die EU fast dreissig Rohstoffe als sogenannt kritische Rohstoffe, also Metalle und Mineralien, die essenziell für die Wirtschaft, aber mit einem hohen Versorgungsrisiko verbunden sind, das auch ethische Fragen aufwirft.

Sind Bioabfälle die Lösung?

Während die an der Empa entwickelte Salzwasserbatterie noch auf ein kritisches Material – Vanadium – angewiesen ist, konnte Fichtner zusammen mit australischen KollegInnen aufzeigen, dass sich Batterien tatsächlich ohne kritische Rohstoffe bauen lassen. Und zwar mit Hühnereischalen. Die ForscherInnen wuschen und trockneten die kalk- und eiweisshaltigen Schalen und zerkleinerten sie zu einem Pulver. So erhielten sie ein leitfähiges Material, in das sich etwa Natriumionen einlagern lassen.

Nicht nur Eierschalen, auch Apfelstückchen und Erdnussschalen eignen sich, wie Fichtners Team am Helmholtz-Institut herausgefunden hat, als Ladungsspeicher für Superkondensatoren – eine Art Batterien, die besonders schnell auf- und entladbar sind. «Im Labor haben die Prototypen einwandfrei funktioniert», sagt der Chemiker. Die Idee mag skurril klingen, aber Fichtner erzählt von einer kleinen süddeutschen Fabrik, die Bionudeln herstellt, bei deren Produktion tagtäglich 200 000 Eierschalen anfallen. «Die haben sich gleich bei uns gemeldet, als sie von unseren Versuchen gehört haben.»

Nachhaltig klingt dieses Upcycling von Abfällen aus der Lebensmittelverarbeitung auf jeden Fall. «Nichterneuerbare Ressourcen durch erneuerbare zu ersetzen, ist grundsätzlich interessant», sagt Christoph Hugi, Professor für Nachhaltigkeit an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Mit Kreislaufwirtschaft habe das allerdings wenig zu tun, da die Eierschalen oder Apfelstückchen nach Ablauf der Lebensdauer des Superkondensators mitentsorgt würden – letztlich entstehe so aus Abfall wieder Abfall. Ob sich das ökologisch lohnt, müsste laut Hugi mit einer Lebenszyklusanalyse vertieft untersucht werden.

Die Zeit drängt

Eine grundsätzliche Herausforderung bei der Suche nach valablen Alternativen zur Lithiumionenbatterie stellt sich in der Kombination der Materialien für die Elektroden und den Elektrolyten: Sie sollen möglichst optimal zusammenwirken. Ein Team von WissenschaftlerInnen möchte im Rahmen einer Forschungsinitiative namens «Battery 2030+» diesen Prozess beschleunigen. Autonome Versuchsroboter sollen mithilfe künstlicher Intelligenz lernen, wie sich bestimmte Materialien im Zusammenspiel mit anderen verhalten. Im Fokus stehen vor allem Schnittstellen in den Batterien, an denen Reaktionen ablaufen, die oft nicht vorhersehbar sind, aber die Lebensdauer der Batterie beeinträchtigen.

An der Lebensdauer, das heisst an der maximalen Anzahl Ladezyklen der Salzwasserbatterie, tüfteln auch Reber und seine KollegInnen an der Empa nach wie vor. Zwar haben sie diese Anzahl innerhalb eines Jahres Forschungsarbeit mehr als verzehnfacht, von 50 auf über 500 Ladezyklen, aber bestimmte Lithiumionenbatterien bringen es auf einiges mehr. «Wir arbeiten zurzeit an einem neuen Elektrolyten, der uns noch näher an die Leistung einer Lithiumionenbatterie heranbringen sollte», sagt Reber. Denn das ist – zumindest für die Anwendung als stationäre Speicherbatterie – sein erklärtes Ziel.