Globaler Rohstoffmarkt: Auch in Europa ist die Schatzsuche interessant geworden

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Der Bedarf an Lithium werde explodieren, sagt der Vizepräsident der EU-Kommission, Maros Sefcovic. Steht der europäische Kontinent vor einem neuen Bergbauboom?

Das europäische Bedürfnis nach Versorgungssicherheit bei strategischen Rohstoffen hat sich während der Covid-19-Pandemie verstärkt. Als vor einem Jahr die Lieferketten zusammenbrachen, verdeutlichte dies die Abhängigkeit westlicher Industrien von China. Europa ist bei Rohstoffen stark abhängig von einigen wenigen Ländern.

Deshalb feilt die Industrie, allen voran die deutsche und die französische, seit Jahren an Plänen, um die Quellen für Rohmaterial nicht versiegen zu lassen. Die EU aktualisiert seit 2011 die Liste kritischer Rohstoffe alle drei Jahre, zuletzt im September 2020, um die «wirtschaftliche Bedeutung» und das «Versorgungsrisiko» der Stoffe beobachten zu können. 2020 ist Lithium erstmals in die Liste aufgenommen worden, die insgesamt dreissig Metalle umfasst.

Ein Drittel der weltweiten Metalle

Durch die Pandemie haben die Bestrebungen der Industrie demnach kräftig Aufwind bekommen. Einer der Lösungsansätze ist der Abbau europäischer Ressourcen. «Ob Kobalt, Bauxit, Beryllium, Wismut, Gallium, Indium, Niobium oder Borate: Europa verfügt über bedeutende potenzielle Lagerstätten», sagt Thierry Breton, EU-Kommissar für den Binnenmarkt.

Europa verbraucht bis zu einem Drittel der weltweit geförderten Metalle, während der Förderanteil auf dem Kontinent dagegen magere drei Prozent beträgt. Anfang des 20. Jahrhunderts waren es noch vierzig Prozent. Als Gründe, warum der europäische Bergbau im 20. Jahrhundert abnahm und ins Ausland verlegt wurde, sehen WirtschaftshistorikerInnen einerseits die höheren Kosten, andererseits auch die Umweltprobleme und gesellschaftlichen Widerstände, die der Bergbausektor mit sich bringt.

Laut dem Vizepräsidenten der EU-Kommission, Maros Sefcovic, soll der Bedarf an Lithium in den kommenden Jahren regelrecht explodieren. Aktuell gibt es in Europa lediglich in Portugal eine aktive Lithiummine, die nur die Glas- und Keramikindustrie beliefert. Sefcovic verspricht, dass achtzig Prozent der europäischen Nachfrage nach Lithium bis 2025 aus europäischen Quellen gedeckt sein werden.

«Das ist nahezu unmöglich. Es sei denn, es werden riesige Summen investiert und gleichzeitig rasch viele Betriebe aufgebaut», sagt David Merriman, Geologe und Marktanalyst beim Thinktank Roskill. Er glaubt, dass die EU trotz des Aufbaus einer Lithiumindustrie weiter von internationalen Importen abhängig bleiben wird.

Zu dicht besiedelt, zu viel Protest

Sefcovic könnte aber auch den Widerstand gegen den Bergbau unterschätzen – wie etwa am Beispiel von Cáceres deutlich wird (vgl. «Das weisse Gold» ). Vor allem der Tagbau ist aufgrund seiner verheerenden Auswirkungen auf die Umwelt sehr umstritten. Doch in den Genehmigungsverfahren wird dieser Faktor auf rechtlicher Ebene nicht berücksichtigt.

«Dennoch spielt die gesellschaftliche Zustimmung eine sehr grosse Rolle bei Bergbauvorhaben und sollte von Beginn an von den Betreibern berücksichtigt werden, damit das Projekt realisiert werden kann», sagt George Barakos, Bergbauingenieur an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg. Er glaubt nicht, dass Europa sich zu einer wichtigen Metallproduzentin wie Australien oder Kanada wandeln könnte. «Europa ist einfach zu dicht besiedelt. Und insbesondere in der Nähe von Städten ist die Akzeptanz von Bergbau sehr gering.» Europas Bergbau liege eher im Sterben.

Dennoch drängen zurzeit Explorationsfirmen aus traditionellen Bergbauländern wie Australien und Kanada scharenweise nach Europa, um sich Lizenzen zu sichern. So sind etwa in Spanien, Portugal, Finnland, Rumänien, Irland und anderen EU-Ländern sogenannte Junior Mining Companies intensiv auf Schatzsuche und versuchen, die besten Plätze zu ergattern.

Auch die EU-Politik in Sachen Rohstoffe zieht die Bergbauindustrie an: Im Rahmen des Projekts «Horizon 2020» fliesst EU-Geld unter anderem in die Erforschung und Verbesserung geologischer Karten. Die Suche nach einer guten Lagerstätte kostet viel Geld, und bis es zum tatsächlichen Abbau kommt, können Jahrzehnte vergehen.

Da es für Banken seit der Finanzkrise aufgrund strengerer Auflagen schwieriger ist, Kredite in solche Hochrisiko-Unternehmungen zu stecken, müssen sich die Firmen auf anderen Wegen Kapital verschaffen – etwa über die Börse oder grosse Einzelinvestoren. Die Aktien solcher Firmen locken die AnlegerInnen mit der Möglichkeit auf hohe Gewinne. Das Risiko bedeutender Verluste ist entsprechend gross. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass sich in diesem Sektor nicht wenige AkteurInnen tummeln, die mehr Geld ins Marketing als in die teuren geologischen Studien stecken.

Elektroautos und Lithiumbatterien : Gar nicht mal so klimafreundlich

Die Pariser Klimaziele haben eine neue Energieära eingeläutet. Die Verdrängung fossiler durch «grüne» Energien bedeutet aber nicht zwingend, dass diese sauberer sind. Der Klimahoffnungsträger Elektroauto verbraucht etwa deutlich mehr Mengen an Rohstoffen als ein konventionelles Auto.

Von über 1,3 Milliarden Kraftfahrzeugen weltweit waren 2019 knapp acht Millionen elektrisch angetrieben. Laut der Internationalen Energieagentur könnten bis 2030 weltweit zwischen 140 und 245 Millionen Elektroautos unterwegs sein. Herzstück eines elektrisch betriebenen Fahrzeugs ist der Akku, für den neben Kobalt, Grafit und Nickel vor allem Lithium benötigt wird. Die Weltbank rechnet mit einer Verfünffachung der Nachfrage nach Batteriemetallen bis 2050.

Der mit Abstand grösste Lithiumproduzent der Welt ist Australien mit jährlich 42 000 Tonnen. Australiens Weltmarktanteil liegt bei über fünfzig Prozent. Der Löwenanteil wird nach China verschifft und dort weiter zu batterietauglichem Lithiumhydroxid verarbeitet, denn China dominiert die weltweite Batterieproduktion. Weitere wichtige Lithiumproduzenten sind Chile, Argentinien und Bolivien. Dort wird das Lithium allerdings unter hohem Wasserverbrauch aus Salzseen gefördert und zunächst zu Lithiumkarbonat angereichert, bevor es in Lithiumhydroxid umgewandelt wird.

Die Klimabilanz von Lithium-Ionen-Batterien ist schwer zu bemessen, denn es fehlt an Datenmaterial. Je nach Berechnungsmodell könnte etwa ein Elektroauto gegenüber einem Dieselfahrzeug erst nach sieben Jahren Betrieb CO2 einsparen.

Alf Hornborg, Humanökologe und Professor an der Universität Lund in Schweden, kritisiert deshalb, dass grüne Technologien als klimasmart und entmaterialisiert dargestellt werden. «Nun beginnen wir zu sehen, dass diese ‹ökomodernistischen› Lösungen illusorisch sind und dass die CO2-Emissionen und Umweltprobleme so nur verlagert werden.»

Linda Osusky