Auf allen Kanälen: In die eigenen Taschen
Wieder ein neues Sparpaket bei Keystone-SDA – während die Verleger die Subventionen abschöpfen.
Die vom Bund mit jährlich zwei Millionen Franken subventionierte Nachrichtenagentur Keystone-SDA verkündete Ende September das nächste Sparpaket: 800 000 Franken Personalkosten sollen im Jahr 2020 eingespart werden wegen Umsatzrückgang bei den Medienkunden.
Einst waren die Agenturen von zentraler Bedeutung: Bis 1993 lieferten zwei Agenturen, die Schweizerische Depeschenagentur (SDA) und die Schweizerische Politische Korrespondenz (SPK), eine kostengünstige und flächendeckende Grundversorgung an Informationen. Daher war es selbst Lokalzeitungen möglich, ihren LeserInnen ein (rudimentäres) Vollprogramm anzubieten – mit Kantonal-, Inland- und Auslandteil. Der sogenannte Bannwald der Demokratie ist längst abgeholzt. Der klägliche Rest besteht noch aus einer Handvoll Mammutbäumen und einigen kleineren Gewächsen in einer weitgehend monokulturellen Presselandschaft. Das mediale Ökosystem liefert bloss noch bedingt Sauerstoff und Nährstoffe aus einem einst weit verzweigten Dickicht im Dienst der Meinungsbildung und somit der Demokratie.
Relikt aus Service-public-Zeiten
Allen voran haben sich die Medienkonzerne Tamedia und Ringier angepasst. Sie verdienen mittlerweile als digitale Warenhäuser Jahr für Jahr eine schöne Stange Geld. Zu einem erheblichen Teil fliessen diese Erträge in die Taschen der AktionärInnen. Die seriösen Redaktionen siechen dahin – und versuchen sich zunehmend als Unterhalter statt als Aufklärer. Journalismus war einmal ein lukratives Geschäft. Einst blühte er, weil die alten Verleger ihn als Trägermedium für ihr Inserategeschäft brauchten. Heute sind die Inserate online abgekoppelt, die Betriebswirte hungern die Redaktionen qua Renditeanspruch aus.
Davon betroffen ist mittlerweile auch Keystone-SDA, die letzte verbliebene Presseagentur der Schweiz, ein Relikt des Service-public-Gedankens. Ihr Ableben ist wahrscheinlich bloss noch eine Frage der Zeit. Zugespitzt hat sich die Zersetzung seit der Fusion der SDA mit Keystone und der Beteiligung der Austria Presse Agentur (APA) letztes Jahr. Die Geschäftsleitung teilte Anfang 2018 mit, dass sie bis zu 40 der 150 Stellen ab- und die Redaktion umbaue. Die Redaktion wehrte sich mit einem Streik. Ein einmaliger Vorgang in der Schweiz – den Stellenabbau verhinderte er nicht. An der Demontage wirken auch an der Agentur beteiligte Verlagshäuser mit, sie drücken die Preise für die Dienstleistung der Textagentur.
Die Medienhäuser begingen in der Digitalisierung grobe Fehler. Zunächst stellten sie ihre teuer produzierten Inhalte zum Schaden des seriösen Journalismus frei zugänglich ins Netz und gewöhnten ihre LeserInnen an eine Gratismentalität. Damit beschleunigten sie den Zerfall des alten Geschäftsmodells. Erst in jüngerer Zeit ziehen sie Paywalls hoch. Mit überschaubarem Erfolg.
Der Kunde ist der Besitzer
Bei Keystone-SDA wiederholen die am Unternehmen beteiligten Medienhäuser ein ähnlich einfallsloses Spiel: An erster Stelle stehen die Rendite und die Ausschüttung einer Dividende. Im Jahr der Fusion waren es sagenhafte 12,4 Millionen Franken. Für 2019 beantragt der Verwaltungsrat eine Ausschüttung von 1,4 Millionen. Mit staatskritischem Kapitalistendasein ist es ohnehin nicht weit her: Keystone-SDA erhält vom Bund zumindest vorläufig jährlich zwei Millionen Franken Subventionen. Somit finanzieren die SteuerzahlerInnen die Dividenden der VerlagsaktionärInnen.
Dabei sind es die JournalistInnen an der Front, die das Unternehmen mit am Leben erhalten. Der deutschsprachige Dienst der Agentur würde für sich genommen erhebliche Gewinne abwerfen. Neue Geschäftsfelder wie die Wirtschaftsberichterstattung sind gewinnbringend. Hingegen generiert ein neuer Bereich, der technische Lösungen für «Newsrooms» anbietet, bislang keinen Umsatz.
Dass nun die Geschäftsleitung wegen des grossen Spardrucks auf Kundenseite ein neues Sparpaket auflegt, erscheint zynisch: Die «Kunden» sind vor allem auch die Eigentümer, nämlich die an der Agentur beteiligten Medienhäuser. Sie hätten es in der Hand, den angekündigten Stellenabbau abzuwenden. Das wird nicht passieren. Weshalb also Subventionen? Folgerichtig wäre, der Staat subventionierte eine unabhängige Agentur. Service public eben, zum Nutzen der BürgerInnen.