Direkte Presseförderung: Journalismus finanzieren, nicht reiche Verlegerfamilien
Ohne verlässlich finanzierten Journalismus ist keine Demokratie zu machen. Daher sollte ihn der Bund direkt und nicht wie bisher indirekt fördern. Die SP fordert das bereits seit Jahren.
Ständig ist die Rede von der Krise des Journalismus. Tatsächlich steckt nicht der Journalismus selbst in der Krise – er war nie professioneller und in der Darreichung vielfältiger als heute. Am Ende ist hingegen das Geschäftsmodell der alten Verleger zur Quersubventionierung von Journalismus (vgl. «Wie es zur Krise kam» im Anschluss an diesen Text). Dass insbesondere auf die potenten Medienhäuser kein Verlass mehr ist, zeigt als jüngstes Beispiel der Umgang mit der einzigen übrig gebliebenen Presseagentur der Schweiz, der Schweizerischen Depeschenagentur (SDA). Noch versorgt sie alle Sprachregionen des Landes flächendeckend mit Informationen und verkörpert damit den Journalismus als Service public. Und was machen ihre Besitzer, die erwähnten Verleger? Sie folgen dem bekannten Muster: fusionieren (mit der Bildagentur Keystone), sparen, Stellen abbauen und kassieren. Die SDA erhält vom Bund zwei Millionen Franken Subventionen. Gleichzeitig schütten die Besitzer sich selber aktuell 1,4 Millionen Franken an Dividenden aus. Ob es die SDA als Presseagentur noch lange geben wird, ist daher fraglich. Und die Krise spitzt sich weiter zu: Eine grosse Abnehmerin, CH Media, hat angekündigt, dass sie hausintern eine eigene «Agentur» aufbauen möchte. Der SDA entgingen Einnahmen in Millionenhöhe. Soll der Bund den Profit privater Unternehmen fördern, die bei jeder Gelegenheit ihre unternehmerische Unabhängigkeit betonen und sich staatskritisch geben? Nicht reiche Verlegerfamilien müssen mit öffentlichen Geldern unterstützt werden, sondern demokratierelevanter Journalismus.
Sommarugas falsche Anreize
Bundesrätin Simonetta Sommaruga hat nun immerhin das von ihrer Vorgängerin Doris Leuthard konzipierte, ausschliesslich auf elektronische Medien fokussierte Mediengesetz gekübelt und für nächstes Jahr eine andere Förderstrategie vorgegeben. Allerdings setzt auch Sommaruga falsche Anreize, weil ihre Stossrichtung die medialen Machtverhältnisse und die herrschende Medieneinfalt zementiert.
Erstens möchte auch Sommaruga künftig bezahlte Onlineangebote direkt fördern (mit 50 Millionen Franken jährlich). Damit macht sie denselben Fehler wie ihre Vorgängerin: Sie übervorteilt einen bestimmten journalistischen Kanal. Entscheidend ist allerdings nicht der Kanal, entscheidend sind Qualität und Relevanz der journalistischen Inhalte. Welche Verbreitungsformen sich durchsetzen, entscheidet letztlich das Verhalten der MediennutzerInnen. Zweitens will der Bund bei der indirekten Presseförderung (Verbilligung der Posttaxen für den Versand von Printmedien) mehr Geld an die Medienunternehmen verteilen; statt wie bisher 30 Millionen Franken wären es neu 50 Millionen. Nutzniesser waren bislang Titel mit kleinen Auflagen (maximal 40 000). Diese Obergrenze soll fallen. Neu wird also der höchst profitable Tamedia-Konzern (der im Januar in der TX Group aufgehen wird) zusätzlich Bundesgelder erhalten. Und weil es eine auflagenabhängige Entschädigung ist, räumen die Grossen ab. Das behindert die aufkommende Konkurrenz zu den Medienkonzernen und verfestigt ein verödetes mediales Ökosystem, also regionale Monopole, die sich in der Medienkrise etabliert haben.
Der SP-Vorschlag
Dabei läge ein guter Lösungsvorschlag bereits in der Schublade: Die Zeichen der Krise waren schon überdeutlich, als die SP 2013 ihr Papier «für ein demokratisches Mediensystem» vorlegte und feststellte, «dass die privatwirtschaftlich-kommerziell institutionalisierten Medien gerade im Pressesektor immer weniger in der Lage sind, die Gesellschaft mit demokratiegerechtem Journalismus zu versorgen». Dieser zeichne sich durch Relevanz, Meinungs- und Anbietervielfalt, Verständlichkeit, Faktentreue und die saubere Trennung von Meinung und Fakten aus. Die SP plädiert für einen Wechsel von der indirekten zu einer direkten Presseförderung. Medienanbieter und JournalistInnen sollen gemäss Vorschlag aus einem Topf, finanziert aus einer Werbeabgabe, einer «Google-Steuer» sowie Geldern aus dem Gebührensplitting, «gattungsübergreifend» gefördert werden – mit jährlich zwischen 100 und 200 Millionen Franken. Über die Vergabe der Gelder entscheidet in diesem Konzept ein mit Medienprofis und VertreterInnen von Zivilgesellschaft und Wissenschaft bestücktes, unabhängiges Gremium. Die Vergabekriterien beziehen sich nicht auf journalistische, sondern auf «strukturelle» Vorgaben. Fördergelder erhielten in diesem neuen System Medien, die keine Profitmaximierung anstreben, sondern allfällige Gewinne in Journalismus reinvestieren, genügend JournalistInnen anstellen und diese fair entlöhnen (auch die freien), die über ein Qualitätssicherungskonzept verfügen und es auch «konsequent anwenden», ihre Eigentumsverhältnisse offenlegen – und in einem jährlichen Bericht gegenüber dem unabhängigen Gremium Rechenschaft ablegen. Ziel dieses Vorschlags: Journalismus und Medienvielfalt im Sinne des Service public fördern, etwa Neugründungen wie die werbefreie «Republik» oder – als regionales Beispiel – die Onlineplattform «zentralplus» in der Innerschweiz. Auch die WOZ würde profitieren, weil sie als Genossenschaft ausschliesslich ihren MitarbeiterInnen gehört und ihre Gewinne in Journalismus reinvestiert. Profitorientierte Medien würden in diesem Konzept kaum gefördert.
Neue Konkurrenz unerwünscht
Das kommt bei den monopolartig agierenden Medienhäusern nicht gut an. Denn so könnte ihnen wieder ernsthaft Konkurrenz erwachsen. Viele KommentatorInnen kritisieren deshalb den SP-Vorschlag: Er gefährde die Funktion der freien Presse – die schliesslich staats- und behördenkritisch sein müsse. Doch wer das Papier genau liest, kann darin keine staatliche Einflussnahmemöglichkeit erkennen. Bei den an einen Leistungsauftrag gebundenen Fernseh- und Radiogebühren – mittlerweile faktisch eine Steuer, der sich praktisch niemand mehr entziehen kann – machen die Grossverleger seit Jahren die hohle Hand, ohne den angeblichen Einfluss von Behörden zu fürchten. Denkt man Unabhängigkeit von den einzelnen JournalistInnen her, kann man die Frage auch andersrum stellen: Wie unabhängig von den Geschäftsinteressen der Medienhäuser können JournalistInnen dort arbeiten? Früher konnte immerhin noch ohne Weiteres das Verlagshaus wechseln, wer einen Maulkorb verpasst bekam. Heute ist diese Option stark eingeschränkt. Das SP-Modell würde die Unabhängigkeit der einzelnen JournalistInnen sicherstellen, weil es keine kommerziellen, politischen oder inhaltlichen Vorgaben vorsieht.
Dieser mittlerweile dringend angezeigte Systemwechsel bedürfte einer Verfassungsänderung und eines entsprechenden Mediengesetzes. Solange das nicht vollzogen ist, plädiert auch die SP für eine Beibehaltung und in begründeten Fällen auch nach einem Systemwechsel für die Weiterführung der indirekten Presseförderung. Das Parlament müsste längst handeln. Doch bislang ist nicht viel passiert, obschon sich der Druck auf den Service public namens Journalismus weiter erhöht.
Überforderte Verleger : Wie es zur Krise kam
Man muss den kalten Kaffee nochmals auftischen, um die Medienkrise einordnen zu können: Vor dem Aufkommen des Internets vor einem Vierteljahrhundert waren die Medienhäuser vom Journalismus abhängig, weil relevante Informationen und interessante Geschichten Leser, Zuschauerinnen und Hörer anlockten – und damit auch Werberinnen und Inserenten, die ihre Stellenanzeigen, Produkte und Dienstleistungen an die Frau und den Mann bringen wollten und dafür teuer bezahlten. Die Werbung ist ins Netz abgewandert, und die PR-Profis schleichen sich mit Zustimmung der Unternehmensleitungen notdürftig kaschiert in die redaktionellen Teile.
Bis Anfang des Jahrtausends war die Welt noch in Ordnung, das Geschäft boomte. Die Medienplayer verdienten sich eine goldene Nase, sie investierten in neue Inserate- und Werbeplantagen, um noch mehr Geld zu machen – und waren daher gezwungen, die redaktionellen Angebote auszubauen. Sie gründeten Magazine und Sonntagszeitungen, und nebenbei stiegen sie auch noch mehr oder weniger erfolgreich ins Radio- und Fernsehgeschäft ein. Davon profitierte der Journalismus. Nicht weil die Medienmanager ihn schätzten, sondern weil sie ihn brauchten.
Dann erschütterten Internet und Digitalisierung die erfolgsverwöhnte Branche. Die Verleger standen dieser Herausforderung zunächst hilflos gegenüber, reagierten nicht unternehmerisch mit Investitionen. Stattdessen stellten sie ihre aufwendig produzierten Informationen gratis ins Netz. Und signalisierten damit ungewollt: Was wir teuer und professionell herstellen, ist nichts wert. Ausserdem verkauften sie damit die bezahlenden AbonnentInnen für dumm. In einem nächsten Schritt folgten die MedienmanagerInnen ideenlos einer rein betriebswirtschaftlichen Logik: Sie kauften kleinere Player, fusionierten und kompensierten damit vorübergehend Auflagenverluste, schliesslich bauten sie die redaktionellen Angebote und massenhaft Stellen ab. Seither schmelzen die Auflagen Jahr für Jahr. Daran ändern bislang auch die Investitionen in die digitale Transformation und in Bezahlschranken im Netz wenig.
Andreas Fagetti