Im Affekt: Hochmut kommt vor dem Nobelpreis

Nr. 42 –

«Dass ich Hymnen an die Schönheit schreibe, lass ich mir gerne sagen, denn die sind alle konkret und philosophisch und auch supergeil formuliert.» Das hat er aber supergeil formuliert, der Peter Handke, in einem der langen Interviews, die der österreichische Journalist André Müller über die Jahrzehnte mit ihm geführt hat. Und solche Hymnen an die Schönheit liest man natürlich immer gern, weiss Handke: «Meine Bücher sind für mich das reinste Lesevergnügen.»

Schön für ihn! Und auch interessant: Der Poet des Augenscheins hat so viel Zeit, dass er zwischen dem Schreiben seiner eigenen Bücher locker dazu kommt, seine eigenen Bücher auch noch zu lesen. Ob Handke daneben auch fremde Bücher liest? Vermutlich schon, aber wohl nur die von Toten, denn: «Ich kenne niemand Lebenden, der so reine Literatur macht wie ich. Alle anderen verbreiten bloss Meinungen.» Eine hohe Meinung von sich selbst hat dieser Dichter, und das war lange, bevor ihm der Literaturnobelpreis zugesprochen wurde.

Ein Jammer nur, dass diese Auszeichnung längst nichts mehr wert ist. Sagt wer? Sagte der Preisträger selber, schon vor zwölf Jahren: «Spass beiseite, ich glaube, dass der Nobelpreis, zumindest der für Literatur, schon seit längerem nichts mehr zählt.» Handke hatte damals sogar eine Idee, wie das Preisgeld besser zu investieren wäre: «Man sollte das Geld wieder der Nobel-Stiftung geben und damit Waffen herstellen, wie es ursprünglich war.» Supergeil auch in seinem Sarkasmus, der Mann. Wobei, wer serbischen Kriegsverbrechern hofiert, sollte mit solchen Gags vielleicht etwas vorsichtiger sein.

Aber was soll das überhaupt sein, «reine Literatur»? Bei Handke kann man das vielleicht an einem Wort zeigen. In seinem Kriegstagebuch «Unter Tränen fragend» (2000) tituliert er die serbische Reporterin Biljana Srbljanovic, die aus Belgrad für den «Spiegel» berichtete, als «Kriegsbraut». Reine Literatur! Im Gespräch mit Müller beschimpft er die Frau ganz unliterarisch als «Westhure».

«Ich möchte lieber ahnen statt wissen», sagt Literat Handke. Und verachtet den Journalismus dafür, dass er wissen will.