Radiostudio Bern: Die Sache mit der Salami
Das böse Wort mit S hört er gar nicht gern. Wer die etappenweise Schwächung des Radiostandorts Bern als «Salamitaktik» bezeichnet, stösst bei Gilles Marchand auf Widerspruch. «Wo ist die Salami?», fragt der SRG-Generaldirektor genervt zurück und verweist auf eine transparente Kommunikation: «Wir haben gesagt, was wir machen, und was wir sagen, das gilt.» Klar ist: Bern verliert die grosse Redaktion der Radionachrichten und den Nonstop-News-Sender SRF 4 an Zürich. Das hat die Geschäftsleitung von Schweizer Radio und Fernsehen am Dienstag so beschlossen. Siebzig Medienleute werden aus der Bundesstadt abgezogen.
Grund für die weitere Schwächung der Radio- und Audioproduktion in der Bundesstadt ist ein ungewohnt hartes Sparprogramm. Gleichzeitig strebt die SRG-Spitze eine Konzentration der Ressourcen an zwei Standorten an: In der Westschweiz gibt künftig Lausanne den Takt an (auf Kosten von Genf), in der Deutschschweiz Zürich (auf Kosten von Bern). Dafür investiert die SRG grossflächig in Beton, baut neue Studios und Newsrooms am Genfersee und am Leutschenbach. Gespart wird dafür bei Personal und Programm.
Vielleicht bietet die neue Struktur mit industriell anmutenden Grossredaktionen tatsächlich die idealen Voraussetzungen, um den Service-public-Auftrag zeitgemäss zu erfüllen, vielleicht auch nicht. Das weiss heute niemand. Bekannt ist hingegen, dass das Vertrauen zwischen Leitung und Belegschaft bei Schweizer Radio und Fernsehen in den letzten eineinhalb Jahren massiv gelitten hat; manche sprechen von einem unüberwindbaren Graben. Konsultation und Partizipation des Personals verkommen zu Alibiübungen, agile Organisation und flache Hierarchien zu hohlen Phrasen. Der nun getroffene Entscheid sieht auf den ersten Blick nach einem Kompromiss aus, weil ursprünglich das gesamte Radiostudio Bern hätte verlegt werden sollen. Dass bei anhaltendem Spar- und Zentralisierungsdruck auch der Rest nach Zürich gezügelt wird, liegt auf der Hand. Nur würde das heute niemand bestätigen. Salamitaktik eben.