Massenentlassung bei der SRG: «Gegen wen würden wir uns denn wehren?»

Nr. 48 –

Per Verordnung hat Bundesrat Rösti eine Gebührensenkung durchgesetzt, nun wird immer deutlicher, was das bedeutet: Am Montag hat die SRG-Spitze die Streichung von 900 Vollzeitstellen bekannt gegeben. Die Mitarbeitenden sind verunsichert.

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Der Abbau bei der SRG, im Managementsprech oft schönfärberisch «Transformation» genannt, ist schon länger Realität. Er trägt Namen wie «Enavant», «Projekt A minus» oder «SRF 4.0» und wurde mit der Streichung etwa des «Wissenschaftsmagazins» und von Kultursendungen bei Radio SRF 2 konkretisiert oder mit der Abschaltung der UKW-Sender. Am Montag kommunizierte die SRG-Leitung nun, wie viele Stellen bis 2029 insgesamt abgebaut werden sollen: 900 der insgesamt 5600 Vollzeitstellen, das entspricht rund sechzehn Prozent der Belegschaft. Es ist die grösste Massenentlassung in der Geschichte der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft, zu der die vier sprachregionalen Unternehmensbereiche SRF, RTS, RSI und RTR sowie Swissinfo gehören. Ziel ist es, 270 Millionen Franken einzusparen – etwa siebzehn Prozent der Ausgaben von 2024.

Rund 300 Vollzeitstellen werden im Rahmen eines bereits laufenden Sparprogramms gestrichen. Dieser Abbau ist also bereits in Gang. Ein Teil der weiteren 600 Stellen soll über Fluktuation und Pensionierungen abgebaut werden.

Für den radikalen Eingriff verantwortlich ist in erster Linie SVP-Medienminister Albert Rösti, der im Sommer im Bundesrat durchgesetzt hat, dass die jährliche Radio- und Fernsehabgabe per Verordnung von 335 auf 300 Franken pro Haushalt gesenkt und kleineren Unternehmen ganz erlassen wird (laut Prognosen macht das minus 120 Millionen Franken). Dazu kommt, dass die kommerziellen Einnahmen zurückgehen (minus 90 Millionen) und die Betriebskosten teuerungsbedingt gestiegen sind (plus 60 Millionen). Das erklärte die SRG am Montag in einer Mitteilung.

Drohende Halbierungsinitiative

Dass die SRG ihre Sparabsichten jetzt kundtut, dürfte vor allem einen Grund haben: Am 8. März stimmt die Bevölkerung über die SVP-Halbierungsinitiative ab. Diese verlangt die Senkung der Rundfunkgebühr auf 200 Franken, was für die SRG katastrophale Folgen hätte. Rösti hatte 2018 als Nationalrat die noch radikalere «No Billag»-Initiative unterstützt – also die Totalabschaffung der Radio- und Fernsehgebühr. Danach war er mitbeteiligt, als die SVP die Halbierungsinitiative lancierte, und als Bundesrat inszeniert er jetzt seinen Sparbeschluss vom Sommer als Präventivmassnahme dagegen. Derweil ist der Glaubenssatz, dass nur vorsorgliche Kahlschläge die SRG vor dem Untergang retten können, in Gestalt von Susanne Wille auch bei der SRG angekommen. Während ihr Vorgänger Gilles Marchand noch laut warnte, dass bereits Röstis Gebührensenkungspläne fatale Auswirkungen haben würden, setzt die seit November 2024 amtierende Generaldirektorin die Vorgaben aus Bern brav um.

SRG-intern ist der Druck gross, befragte Mitarbeiter:innen wollen sich derzeit nur anonym äussern. Die Stimmung sei schlecht, sagt ein SRF-Journalist, die Angestellten seien «am Ende». Er berichtet von mehreren Burn-out-Fällen. Der politische Dauerbeschuss und die nicht abebbenden Abbauwellen seien schon lange eine Belastung, «aber man hat bisher die Füsse stillgehalten». Die aktuelle Strategie löse nun immensen Frust aus.

Eine weitere SRF-Angestellte sagt: «Susanne Wille hat jetzt zum ersten Mal überhaupt halbherzig Bedauern geäussert, dass man wegen der Politik sparen muss. Ich wünsche mir, man wäre kämpferischer, würde offensiver Stellung beziehen.» Natürlich müsse die SRG die Vorgaben der Politik umsetzen. «Aber man könnte gleichzeitig deutlich machen, dass die Sparmassnahmen schädlich sind.» Die Mitarbeiterin sagt auch, Widerstand zu leisten, sei unter den aktuellen Umständen schwierig. «Ich beobachte eher, dass der Druck zu einer Vereinzelung führt. Jeder igelt sich irgendwie ein, weil er befürchtet, als Nächster betroffen zu sein.» Zudem habe man immer weniger Kapazitäten und Zeit, um sich auch noch zusammenzuschliessen und zu wehren. So erlebt das auch ein anderer Mitarbeiter: «Du bist auf einer Redaktion mit vielleicht fünfzehn oder zwanzig Leuten, und jeder denkt sich: Wenn ich mich ducke, komme ich vielleicht davon.» Zudem stelle sich die Frage: «Gegen wen würden wir uns denn wehren? Das Sparprogramm kommt von Rösti. Wenn du dich dagegen wehrst, müsstest du politisch werden, damit machst du dich als Journalist angreifbar. Da gibt es eine Präventivangst, die vielleicht auch falsch ist.»

Seltsame Begründung

Wo genau die SRG die 900 Stellen abbauen will, welche weiteren Sendungen gestrichen werden, wie viele Journalist:innen entlassen werden sollen, hat die Leitung bislang nicht bekannt gegeben. Wille sagt, man wolle «bei den Strukturen und Prozessen sparen, um das journalistische Angebot zu schützen». Sie spricht wolkig von «Bündelung von Kompetenzen» und dem «Realisieren von Synergien». Was das heisst, bleibt unklar. Ein paar Eckpunkte sind bekannt: Bereiche werden ab Anfang 2026 zu neuen Direktionen zusammengelegt, ebenso Führungsstrukturen in den Regionen «vereinheitlicht». Seltsam mutet die Begründung an, man wolle mit dieser Zentralisierung die Zusammenarbeit über die Regionen hinweg fördern – wo die SRG doch einfach Röstis politischen Plan umsetzen muss.

Zwar räumt Wille ein, dass es «Veränderungen und Abstriche im Programm» geben werde. Auf Nachfrage schreibt die Medienstelle jedoch, Konkretes könne man dazu erst im Verlauf der nächsten Monate sagen. Spricht man mit SRG-Journalist:innen, vermuten viele eine Strategie hinter diesem Vorgehen. Die Leitung werde sich hüten, vor dem 8. März neue Streichungen bekannt zu geben, sagt ein Journalist. Man wolle der Kritik an der SRG nicht weiter Vorschub leisten. Das Programm werde heute schon mit weniger Personal aufrechterhalten – «auf unserem Rücken».

Zahlt sich die Strategie aus?

Verzweiflung über die politischen Entscheidungen, Ärger über die SRG: Die interne Kommunikation sei schlecht, sagen die Befragten, inzwischen hätten viele Journalist:innen den Überblick verloren, welches Sparprogramm gerade laufe. Auch eine interne Mitarbeiter:innenumfrage der SRG zeigt, dass das Vertrauen ins Management bröckelt. Ständig wird umgebaut, Budgets und damit Projekte sind nicht planbar, die Perspektiven für Weiterentwicklungen im Unternehmen versperrt.

Die Zentralsekretärin der Mediengewerkschaft SSM, Silvia Dell’Aquila, sagt, die Hauptforderung sei nun die nach einem echten Konsultationsverfahren «statt einer Alibiübung». Die politische Entscheidung sei getroffen, nun gehe es «um das Wie». Man hoffe, dass beim Überbau gespart werde. Doch natürlich bangten die Journalist:innen um ihre Stellen, denn seit ein paar Jahren schon reihe sich gefühlt ein Konsultationsverfahren an das nächste.

Bleibt die Frage, ob sich die Strategie der Willfährigkeit auszahlt: Musste man in verzweifelter Hoffnung genau so vorgehen, um den Service public über den 8. März hinaus zu retten, wie es ein Mitarbeiter vermutet? Oder geht der Schuss nach hinten los, und die SRG suggeriert gerade damit, die Arbeit sei auch mit viel weniger Personal zu stemmen? Der Preis, den die SRG-Angestellten für die politischen Angriffe zahlen, ist jedenfalls schon jetzt hoch.