Wichtig zu wissen: Sehr geehrter Herr Präsident

Nr. 24 –

Ruedi Widmer schreibt Donald Trump einen Brief

Ich wende mich an Sie, weil Sie der Präsident von Amerika sind. Sie leben in Washington, der Hauptstadt der USA, einem grossen Land in Nordamerika. Vielleicht kennen Sie Washington? Sie stammen ja aus New York, und den New Yorkern sagt man nach, sie würden nur New York kennen, weil diese Stadt die ganze Welt sei.

Wussten Sie, dass Washington nach dem ersten US-Präsidenten George Washington benannt ist (Sie sind übrigens nur der 45.!)? Nicht? Sehen Sie, man kann auch mit 74 noch etwas lernen, wenn man ausländische Zeitungen liest. In diesem Washington regieren Sie. Ihr Pult in Ihrem ovalen Büro ist genau dem der Serie «House of Cards» nachempfunden. Diese Serie haben Sie sicher geschaut und mit dem korrupten demokratischen Präsidenten Frank Underwood mitgefiebert, der alle Register der Macht zieht. Er hat sogar jemanden umgebracht. Sie sagten ja auch, Sie könnten eigenhändig jemanden ermorden auf der Fifth Avenue, und Ihre Anhänger würden Sie dafür feiern. Jetzt hat ein Polizist jemanden ermordet, einen schwarzen Mann. Doch nun sind sogar manche Ihrer Anhänger nicht mehr so begeistert. Zum Beispiel Ihr Parteikollege George W. Bush, der selber viele Menschen ermorden liess im Irak, einem Land auf dem Planeten Erde. Schliesslich war vor vielen Jahrzehnten mal Ihr grosser Landsmann Neil Armstrong der Erste dort oben.

Nun, warum schreibe ich Ihnen? Ich bin ein einfacher Mann aus der Schweiz, dem Land Ueli Maurers. Ihn haben Sie ja kennengelernt. Das war der Mann, der etwas mühsam Englisch sprach, aber Sie liessen es sich nicht anmerken. Er hat wie Sie keine Haare auf dem Kopf, aber er trägt kein Toupet. Gut, ich bin wie gesagt ein Schweizer. Ich bin neutral. Nun, eine neutrale Person kann vermitteln in festgefahrenen Situationen. Kommt dazu, dass ich kein Politiker bin. Ich kann «von aussen» auf die Sache schauen. Ich weiss, es ist ein Privileg, kein Politiker sein zu dürfen, und ich kann mir gut vorstellen, dass Sie auch mal gerne kein Politiker wären, sondern zum Beispiel ein Firmenchef? Wissen Sie, was eine Firma ist? Also zum Beispiel Twitter oder so, das ist eine Firma (auch wenn die auf dem Handy ist; was noch lustig ist, eine grosse Firma im kleinen Handy drin …!).

Sehen Sie, ich bin frei, ich muss nicht Rücksicht auf eine Bevölkerung nehmen, keine Rede halten, wenn jemand von einem Polizisten ermordet wird, und dies bedauern und zum Dialog aufrufen, sondern ich kann einfach am Computer sitzen und irgendeinen Seich (deutsch für «piss», also Bisi/Uran, respektive Iran) schreiben. Sehen Sie, wie frei ich bin?

Nun lasse ich die Katze aus dem Sack: Wie wäre es, wenn Sie zurückträten als Präsident? Ganz unbeschwert und spontan? Wenn Sie ein freier Mann würden? Gehen Sie nach Florida. Kennen Sie Florida? Das wäre doch mal einen Ausflug wert, denn die USA sind ein sehr schönes Land (auch ein Reiseland!), und es wohnen viele nette und gescheite Leute dort. Die müssen Sie mal kennenlernen!

Ich bin einfacher Schweizer, 47 Jahre alt; «jung», höre ich Sie sagen. Sie wirken im Gegensatz zu Joe Biden auch mit 74 noch wie 47. Ihre Gesundheit/Libido ist auch noch gut; ideal für ein langes Leben «bei den Leuten» und nicht in diesem abgesperrten Weissen Haus in Washington. Wissen Sie, wo das liegt? Im District Columbia. Manchmal denken ich und viele andere Menschen, es wäre womöglich besser gewesen, Kolumbus hätte Ihr Land nicht entdeckt. Dann würden wir Europäer nichts von Ihnen wissen und hören, und Sie könnten twittern und sirachen, so viel sie wollten in Washington, und es würde gar nie zu uns gelangen.

So, es hat mich gefreut, Ihnen ein bisschen den Tag zu versüssen, und nun wünsche ich Ihnen viel Spass mit Ihrem Rücktritt.

Freundliche Grüsse, Ruedi Widmer

Ruedi Widmer ist Cartoonist in Winterthur, einer Stadt in Schweden.