LeserInnenbriefe

Nr. 25 –

Flicken

«Reparaturwirtschaft: Flicken macht glücklich», WOZ Nr. 21/2020

Ja, Geräte flicken macht nicht nur glücklich, ich lebe davon – seit bald dreissig Jahren! Die «geplante Obsoleszenz» mag es zwar wirklich geben, ist mir aber in all den Jahren mit Waschmaschinen und dergleichen nie erkennbar begegnet. In meinem Berufsalltag passiert es selten, beziehungsweise erst im hohen Gerätealter, dass Ersatzteile nicht mehr erhältlich sind. Bei den billigen Haushalt-Handgeräten ist das anders … Selbstverständlich eruieren alle Hersteller die zu erwartende Lebensdauer ihrer Geräte. Aber wahrscheinlich weniger, um deren baldiges Ende zu planen – denn dabei gehen auch Kunden verloren –, als vielmehr, um Produktionskosten zu sparen.

Natürlich sind viele Aussagen in Ihrem Artikel ebenso wahr wie bedauerlich. Aber undifferenziert und dadurch tendenziös.

Ihre Darstellung «kaum jemand kann oder will noch reparieren» ist kontraproduktiv! Unzählige Fachkollegen im Land versuchen dies täglich. Da helfen pensionierte Ingenieure und Sozialprogramme wenig. Schön für deren Kunden, aber auch unlautere Konkurrenz zu meinem Arbeitgeber. Sie schlagen den Sack und meinen den Müller!

Wer ist «schuld» an dem enormen Preisdruck in der Branche? Die Hersteller sind ja durchaus willens, langlebigere Geräte zu produzieren! Und in Ihrem ganzen schönen Artikel nicht ein einziges Wort zur unsäglichen «Geiz-ist-geil-Mentalität», die sich seit Jahren durch unsere Gesellschaft frisst und vielleicht der ganzen Malaise zugrunde liegt!

Remo Decarli, Belpberg

Linke gegen Schwarzenbach

«Migrationspolitik: Schwarzenbachs langer Schatten», WOZ Nr. 23/2020

Anna Jikhareva hat recht, wenn sie eine Auseinandersetzung mit der Schwarzenbach-Initiative für wichtig hält. Was im Artikel leider fehlt, ist die Bedeutung, die die Überfremdungsinitiative für die 68er-Bewegung in der Schweiz hatte. Darin unterscheidet sich die schweizerische 68er-Bewegung von denjenigen im übrigen Europa. In meiner eigenen Politisierung im Rahmen der Poch war dies ein wichtiger Aspekt.

Die erste politische Aktion, an der ich dabei war, war die Sprengung einer Veranstaltung mit Trillerpfeifen und Kapern des Rednerpultes. Schwarzenbach zog es vor, gar nicht in Erscheinung zu treten. Der Anlass war beendet, bevor er angefangen hatte.

Im Winter 1969/70 fanden Gewerkschaftsversammlungen in der Basler Chemie zur Schwarzenbach-Initiative statt. Der Präsident der Betriebskommission bei der Ciba-Geigy zeigte viel Verständnis für die Initiative, die übrige Führung der GTCP (Gewerkschaft Textil, Chemie, Papier; Anm. der Red.) sprach sich dagegen aus. Aus dem Publikum flogen als Reaktion darauf massenweise Bierflaschen.

In Basel konstituierte sich auf Betreiben der Poch die «Interkommission», an welcher sich die Colonie Libere Italiane sowie die spanischen Comisiones Obreras beteiligten. Es kam zu Auseinandersetzungen um die Gestaltung der 1.-Mai-Feier 1972, da die Interkommission die gleichberechtigte Teilnahme der ausländischen Arbeiter forderte, was von den Gewerkschaften strikt abgelehnt wurde. Nach den Handgreiflichkeiten an der 1.-Mai-Kundgebung und den ersten Wahlerfolgen der Poch war die gemeinsame Organisation des 1. Mai ab dann selbstverständlich.

Nostra Festa / unser Fest wurde ab dem Sommer 1974 ein neuer Fixpunkt in der politischen Agenda. Am Rheinufer feierte nun jedes Jahr eine wachsende Zahl von Organisationen die Solidarität zwischen SchweizerInnen und AusländerInnen. In Zürich gab es kurz darauf jedes Jahr das «Volksfäscht» auf dem Helvetiaplatz. Das gemeinsame Feiern begriffen wir als zentral für eine linke Kultur. In Zürich entstand aus der Zusammenarbeit beim «Volksfäscht» das 1.-Mai-Komitee.

Die Auseinandersetzung um die Strategien zur Überwindung der Aufteilung der Arbeiterklasse in SchweizerInnen und AusländerInnen war prägend für die Neue Linke in den Siebzigern und hat zur Kursänderung der Gewerkschaften gegenüber den ausländischen ArbeiterInnen beigetragen.

Thomas Heilmann, per E-Mail