Was weiter geschah: Warnschuss für Russlands Kulturszene
Drei Jahre dauerte das Verfahren gegen den russischen Regierebellen Kirill Serebrennikow und drei weitere Personen. Am Freitag sprach nun ein Moskauer Gericht das Urteil im sogenannten Theaterfall. Es befand den Fünfzigjährigen der Veruntreuung staatlicher Fördergelder für schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingten Haftstrafe von drei Jahren sowie einer Zahlung von umgerechnet rund 11 000 Franken. Auch die anderen Angeklagten wurden schuldig gesprochen.
Während im voll besetzten Gerichtssaal der letzte Akt eines absurden Prozesses aufgeführt wurde, trotzten draussen Hunderte UnterstützerInnen dem Demonstrationsverbot, darunter viel russische Kulturprominenz und Intelligenzija. Nach Bekanntgabe des Strafmasses brach vor dem Gebäude lauter Jubel aus.
Stundenlang hatte die Richterin zuvor die Urteilsbegründung verlesen. Unter anderem bezeichnete sie Serebrennikow als «Kopf einer kriminellen Vereinigung». Doch je länger sie las, desto offensichtlicher wurde, dass die Vorwürfe konstruiert sind. Die Staatsanwaltschaft hatte für den Regisseur, der auch schon am Zürcher Opernhaus inszenierte, sechs Jahre Haft gefordert. Ein derart hohes Strafmass bei derart dünner Beweislage gegen einen international gefeierten Künstler zu verhängen – das hat sich das Gericht dann offenbar doch nicht getraut.
Womöglich war es aber ohnehin um mehr gegangen: Das Verfahren gegen den Starregisseur sollte die russische Kulturszene einschüchtern. Dies ist auch ohne Haftstrafe gelungen. Treffend fasste dann auch die unabhängige «Nowaja Gaseta» das Urteil zusammen: «Erniedrigung statt Hinrichtung. Strafe statt Freiheitsentzug. Farce statt Drama.»
Nachtrag zum Artikel «Keine Gnade für den Künstler» in WOZ Nr. 45/2018 .