LeserInnenbriefe

Nr. 35 –

Nicht so gestrickt

«Erwachet! Notwehr und Martyrium», WOZ Nr. 34/2020

Ich bin froh über jede Erwähnung der erschreckenden Anzahl an Femiziden und der gleichzeitigen riesigen Gleichgültigkeit den Opfern gegenüber, die über den erlittenen Tod hinaus auch noch Schuld sein sollen an ihrer Ermordung. Auch bei Polizei und Justiz ist diese Art der Wahrnehmung immer wieder spürbar.

Es stimmt mich sehr nachdenklich, dass Besitz und Verfügungsrecht der Männer über ihre Ehefrauen/Freundinnen auch bei uns immer noch so fest verankert und stark mit dem männlichen Selbstwertgefühl verknüpft sind.

Ein Trost ist die Tatsache, dass viele junge Männer nicht so gestrickt zu sein scheinen.

Maya Eggimann, Diessbach

Bührle im Freikorps

«Zürcher Geschichtsstreit: Bührle wird beschönigt», WOZ Nr. 34/2020

Es irritiert, dass in der von der Stadt Zürich in Auftrag gegebenen Studie über Emil Georg Bührle dieser Waffenproduzent und Kunstsammler nicht in Zusammenhang mit einem nach dem Ersten Weltkrieg wirkenden und wütenden Freikorps gebracht werden soll. Wie Wolfgang Hafner im «Schwarzbuch Bührle», das ich mit Guido Magnaguagno herausgegeben habe, überzeugend dargelegt hat, trat Bührle nach seinem Kriegseinsatz dem Freikorps Dietrich von Roeder bei. Dieses kam vor allem bei der Niederschlagung von Spartakistenaufständen in verschiedenen deutschen Städten zum Einsatz. Aus den Freikorps rekrutierten sich später die SA und SS. Bührle befehligte einen MG-Zug, der als Stabswache und Reserve beim Hauptquartier des Freikorpsführers General von Roeder stationiert war.

Sollte der Begriff «Freikorps» in der Endfassung der Studie auf Druck der Auftraggeber fehlen, dann hätten sich die früheren Bekenntnisse zu schonungsloser Aufklärung des Kontextes, in dem die Sammlung Bührle entstand, als blosses Lippenbekenntnis erwiesen.

Thomas Buomberger, Winterthur

«Cruceñidad» ist anders

«Die Faschisten in Santa Cruz», «Le Monde diplomatique», August 2020

«Die Faschisten (oder FaschistInnen) in Santa Cruz»: Auf der WOZ-Internetseite wird der Titel zumindest gendergerecht geschrieben. Was genau bezweckt diese Reportage? Eine tiefgründige und differenzierte Auseinandersetzung mit einer aktuellen Problematik ist es wohl kaum. Es erinnert mich eher an eine Geschichte, als vor Jahren meine Cousine in der Schweiz zu Besuch war und an einem Geburtstagsfest das Geburtstagskind, das schäbige Jeans und T-Shirt trug, begrüsste, worauf sie am nächsten Tag ihrer Mutter am Telefon erzählte, die Schweizer seien alle ungepflegt.

Die Berichterstatterin Maëlle Mariette hat sich bei ihrem Besuch in Santa Cruz geradezu verleiten lassen. Wenn man es sich leicht machen will, dann gibt man die ganze Schuld einfach den überheblichen, arroganten, weissen Männern, allen Grossgrundbesitzern, Rassisten, Evangelisten, Faschos et cetera. Sie sind verantwortlich für das politische, soziale und kulturelle Desaster in Bolivien. Der Bericht ist geradezu gespickt mit hässlichen Stereotypen. Leider hat sich dieses Klischee im gesellschaftlich-medialen Diskurs geradezu etabliert, und das zu verpönen gehört sozusagen zum «guten Ton». Es ist ja auch schwierig, dieser neokolonialen Mentalität irgendetwas Positives abzugewinnen. Bedauerlicherweise bleiben wirklich relevante Fragen, die zu einer interessanten sozialpolitischen Auseinandersetzung führen könnten, aus.

Wenn die Autorin wirklich erfahren wollte, was «Cruceñidad» bedeutet, so hätte sie auch nach einer Antwort gesucht, stattdessen ist es viel zwingender zu betonen, dass Herland Vaca Diez Busch die «Cruceñidad» angeblich mit einem Zitat aus «Mein Kampf» erklärte. Ich hätte nur zu gerne erfahren, was für ein Zitat das gewesen sein soll, das die Wesensart der Cruceños, dieser Bewohner im Tiefland von Bolivien, charakterisieren sollte.

Fazit dieses zweiseitigen Berichts? In Santa Cruz sind alle Faschos und laufen mit dem Hakenkreuz herum. Sind wir wirklich an diesem Tiefpunkt angelangt?

Patricia Saavedra, per E-Mail