Kino-Film «Und morgen die ganze Welt»: Und den Faschos immer schön die Fresse polieren!

Nr. 44 –

Im Antifa-Film «Und morgen die ganze Welt» rutscht eine junge Frau immer tiefer in die Karikatur einer linksradikalen Gruppe ab.

Eher kurios: Lenor, Luisa und Alfa in antifaschistischer Aktion (von links). Still: Alamode Film

Mittlerweile werden die Leute ja schnell mal extrem in ihren Ansichten, wie sich gut an den zur Massenbewegung angeschwollenen «CoronakritikerInnen» beobachten lässt. Was allerdings mit Luisa (Mala Emde) im Film «Und morgen die ganze Welt» geschieht, ist eine Radikalisierung in Überschallgeschwindigkeit: Eben erst hat die junge Frau aus gutem Haus (der Vater ist nicht nur vermögend, sondern sogar Baron) ein Jurastudium in Mannheim begonnen und sich schüchtern um ein Zimmer in einem besetzten Haus beworben. Und noch vor der grossen Sause zu den Semesterferien liegt sie mit Vatis Jagdgewehr in einer Hecke, einen rechtsradikalen Liedermacher im Visier, den sie aus politischem Übereifer zu erschiessen beabsichtigt.

Wie so was geht? Die Antifa machts möglich! So scheint sich das jedenfalls Julia von Heinz zusammengereimt zu haben, als sie gemeinsam mit ihrem Mann das Drehbuch für den Film verfasste, den sie dann auch inszenierte. Die beiden haben, wie von Heinz in Interviews bekundete, eine persönliche Vergangenheit in der radikalen Linken. Im «Spiegel» sagte die Filmemacherin, ihre Zeit in «der Antifa» erinnere sie rückblickend an eine «Sekte», niemals hätte sie sich damals vorstellen können, jemanden zu heiraten, der andere politische Überzeugungen als sie vertritt. Was allein schon deshalb eine kuriose Äusserung ist, weil es die Frage aufwirft, wie häufig denn linksradikale StaatsfeindInnen auf dem Standesamt vorstellig werden.

Viril und militant

Der Film provozierte folglich schon vor dem Kinostart innerhalb der Linken Empörung, und wirklich ist es ja angesichts des rechten Terrors in Deutschland und von der AfD lancierter Bundestagsdebatten über ein Antifa-Verbot ein fragwürdiger Einfall, ausgerechnet eine Geschichte über den sogenannten Linksextremismus ins Kino zu bringen. Interessant auch, was die ganz realen AktivistInnen des Nürnberger Hausprojekts P-31, das genau so heisst wie das im Film, schon vor einiger Zeit in einer öffentlichen Erklärung verlauten liessen: Demnach waren dort vor zwei Jahren Scouts aufgetaucht, die die Regisseurin entsandt hatte. Diese wurden dann aber des Geländes verwiesen, nachdem sie dem Plenum die Story des Films skizziert hatten – unter anderem, weil diese sexistische Motive bediene.

Tatsächlich erklärt das Skript Luisas Radikalisierung hauptsächlich damit, dass sie sich in einen virilen Militanten namens Alfa verguckt, der in dem besagten Haus eine Kampfsportgruppe trainiert. Dessen Wirkung auf die junge Frau ist sogar irgendwie nachzuvollziehen, da Alfa-Darsteller Noah Saavedra den Antifa-Chic und linkes Mackertum so überzeugend verkörpert, dass man selbst gerne mal mit ihm losziehen würde, um ein paar Nazis und deren Autos zu demolieren. Alfa erwidert die Avancen der Studentin allerdings nur zögerlich, und die sich dennoch unweigerlich anbahnende Romanze wird zusätzlich dadurch erschwert, dass Luisa ihren Schwarm auf einer Party dabei ertappt, wie er eine Genossin im Chill-out-Bereich zum Blowjob bittet.

Trotzdem lässt Luisa bald schon die gemässigte Hippiefraktion um ihre Busenfreundin Batte (Luisa-Céline Gaffron) rechts liegen und schliesst sich dem radikalen Flügel des Hauses an, in dem Alfa und sein eher nerdiger Kumpel Lenor (Tonio Schneider) den Ton angeben. In dieser Konstellation spiegelt sich dann der zentrale Konflikt, den der Film verhandelt: Wie viel und welche Form des Widerstands ist erlaubt, wenn RassistInnen fast unbehelligt aufmarschieren und MigrantInnen terrorisieren können? Auch Letzteres stellt der Film explizit dar – und kontrastiert sogar die staatliche Zahnlosigkeit gegenüber den Rechten mit der harten Repression gegen linke Strukturen.

Wie viel Gewalt darfs sein?

«Und morgen die ganze Welt» ist also nicht schlicht ein reaktionäres Machwerk, das vor linkem «Totalitarismus» warnen möchte. Womöglich hat der Film dank der Ästhetisierung linker Lebensformen und Modecodes sogar den gegenteiligen Effekt, dass er diese gerade für ein jüngeres Publikum als besonders attraktiv erscheinen lässt. Selbst der Rezensent des sonst eher biederen SWR kommt zum bemerkenswerten Schluss, dass angesichts der «alltäglichen Gewalt der Rechtsextremisten» klar sei: «Keine Gewalt ist auch keine Lösung.»

Ob das stimmt oder ob nicht eher andere Strategien die probaten Mittel im Kampf gegen Rechts sind, verhandelt der Film jedoch höchstens auf einer abstrakt-moralischen Ebene: Während die einen meinen, man dürfe nicht mal Farbbeutel werfen, wollen die anderen den Faschos halt gerne die Fresse polieren. Dass dieser Gegensatz in der Praxis gar keiner sein muss – immerhin wusste schon Linksextremist Lenin, dass es auf die konkrete Analyse der konkreten Situation ankommt – und faktisch auch häufig keiner ist, weil auch Antifa-AktivistInnen zivilgesellschaftliche Bündnisse zu organisieren verstehen, scheinen die Regisseurin und ihr Mann einfach vergessen zu haben. Trotz ihrer Vergangenheit in dieser «Sekte».

Und morgen die ganze Welt. Regie: Julia von Heinz. Frankreich/Deutschland 2020