Freihandel: Ein Handelspakt mit so mancher Hürde
Nach Pandemie und Krise könnte die neue Freihandelszone RCEP Chinas weiteren Aufstieg sichern. Doch das pazifisch-asiatische Bündnis steht erst am Anfang.
Die neue Freihandelszone, auf die sich fünfzehn asiatisch-pazifische Länder am 15. November geeinigt haben, ist von ihrer Dimension her mehr als beachtlich: Die beteiligten Staaten stehen zusammen für rund dreissig Prozent der Weltbevölkerung und erzielen etwa den gleichen Anteil an der weltweiten Wirtschaftsleistung – mehr als der EU-Binnenmarkt oder die Freihandelszone von USA, Kanada und Mexiko.
Bei der RCEP (Regional Comprehensive Economic Partnership) mit dabei sind Brunei, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, die Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam. Die Asean-Staaten hatten das neue Abkommen 2012 angeschoben. Später traten Australien, China, Japan, Neuseeland und Südkorea bei. Indien machte ebenfalls mit, stieg jedoch Ende 2019 aus den Verhandlungen aus.
Mit der RCEP sollen schrittweise Handel und Investitionen liberalisiert, Zölle gesenkt und bürokratische Hemmnisse beseitigt werden. Ihre unmittelbaren Auswirkungen sind jedoch begrenzt. Die RCEP ersetzt bilaterale Handelsabkommen der beteiligten Staaten, die einen Grossteil ihres Güteraustauschs bereits abdecken. Sie betrifft zudem vor allem den Handel mit Industriegütern. Der Austausch von Dienstleistungen, Daten und Agrarerzeugnissen ist kaum oder gar nicht geregelt. Arbeitsrechte, Umweltstandards und die Begrenzung von Subventionen für Staatsunternehmen wurden ausgeklammert, der Schutz geistigen Eigentums taucht nur am Rande auf.
Dennoch bringt die RCEP Neuerungen. Erstens sind die Wirtschaftsmächte China, Japan und Südkorea nun gemeinsam in einer Freihandelszone vertreten. Zweitens erleichtert das Abkommen Unternehmen den Aufbau von Zulieferketten über mehrere RCEP-Länder hinweg, was angesichts der Neuordnung der Zulieferketten im Zuge des «Handelskriegs» zwischen China und den USA von Bedeutung ist. Drittens stärkt die RCEP China, das regional wie global zur Gegenspielerin der Weltmacht USA geworden ist.
USA im Abseits
China hat die Pandemie und die anschliessende Wirtschaftskrise besser als andere Länder überwunden, und die Regierung versucht nun, ihren wirtschaftlichen und politischen Einfluss auszubauen, nicht nur in Südostasien, sondern auch gegenüber den US-Verbündeten Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland. Als grösste Volkswirtschaft in der RCEP dürfte China die Handelsregeln über die Region hinaus massgeblich bestimmen. Dies könnte auch den Ambitionen im Rahmen der Belt-and-Road-Initiative Auftrieb geben, mit der China seine Aussenhandelsmacht stärken will.
Die USA haben derweil das Nachsehen. Weder gehören sie der RCEP noch der anderen regionalen Freihandelszone an, dem CPTPP der Pazifikanrainerstaaten. Unter dem Namen TPP war dieses ursprünglich von den US-Regierungen von George W. Bush und Barack Obama seit 2008 vorangetrieben worden – nicht zuletzt, um den Einfluss Chinas im Pazifikraum zu beschränken.
Seit der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten hat die US-Regierung eine protektionistische Handelspolitik betrieben und zog sich im Januar 2017 aus dem TPP zurück. Die verbliebenen elf Staaten setzten das Abkommen jedoch bis 2018 um. Die neue US-Regierung wird es schwer haben, verlorenen Boden in der Region wieder gutzumachen. Joe Biden hat sich bisher nicht auf einen Beitritt zur CPTPP festgelegt und hätte auch Mühe, diesen innenpolitisch durchzusetzen.
Auch die EU spielt bei der RCEP kaum eine Rolle. Sie verfolgt zwar wie China den Abschluss von Handels- und Investitionsabkommen, um sich und ihren Unternehmen im kapitalistischen Wettbewerb Vorteile zu verschaffen – wie zuletzt mit den RCEP-Mitgliedern Japan und Vietnam. Ihre Bemühungen um ein Handelsabkommen mit China scheiterten jedoch wiederholt, zuletzt beim virtuellen Gipfeltreffen im September 2020.
Militärische Störgeräusche
Die RCEP ist jedoch noch nicht in trockenen Tüchern. Die Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten ist bis Ende 2021 geplant, könnte aber in einigen Ländern auf Widerstand stossen. Die Umsetzung und weitere Integrationsschritte hängen zudem von der Entschärfung regionaler Konflikte ab. Chinas Militarisierung des Südchinesischen Meers provoziert immer wieder Streit mit mehreren RCEP-Staaten. Die Beziehungen zu Australien sind deshalb auf dem Tiefpunkt, die zu Südkorea und Japan weiterhin fragil.
Einige RCEP-Staaten setzen zudem weiter darauf, dass sich Indien doch noch am Abkommen beteiligen wird. In diesem Jahr eskalierten jedoch Grenzstreitigkeiten zwischen Indien und China. Nach der Unterzeichnung des Freihandelsabkommens am 15. November liess die indische Regierung verlautbaren, dass sie auf ökonomische Selbstständigkeit setze. Und zusammen mit den USA und den RCEP-Mitgliedern Australien und Japan hat Indien in den letzten Monaten gar eine neue Militärallianz geplant, die sich gegen China wendet.
Ob die RCEP für China und die anderen Länder tatsächlich zu einem Meilenstein im «asiatischen Jahrhundert» werden wird, bleibt also offen.