#digi: Überhaupt nicht wolkig

Nr. 14 –

Am 10. März brannte in Strassburg ein Datenzentrum lichterloh. Dabei wurden viele Daten auf den Rechnern des Cloud-Anbieters OVH vollständig zerstört. Die Server des Games «Rust» waren unerreichbar, die Website des Centre Pompidou ebenso. Auch in manchen französischen Städten funktionierten die digitalen Dienste nicht mehr. Der Brand zeigt, wie fest wolkige Konstruktionen wie die «Cloud» im Irdischen verankert sind. Denn das Internet mit all seinen Apps und Algorithmen basiert auf einer globalen physischen Infrastruktur aus Tiefseekabeln, Rechenzentren und Datenspeichern.

Das von den HistorikerInnen Monika Dommann und Max Stadler sowie dem Künstler Hannes Rickli herausgegebene Buch «Data Centers» ist ein wertvolles Lehrstück dazu. Die heutige digitale Infrastruktur entwickelte sich in einem komplexen gesellschaftlichen, technischen und politischen Umfeld. Das englischsprachige Buch widmet sich den Grenzen unserer vernetzten Welt aus historischer und fotografischer Perspektive. Um die heutige Welt zu verstehen, lohnt sich ein systematischer Blick in die Vergangenheit – in Bunker, Tunnels, Abstellkammern. Während sich die Forschung meist Techkonzernen wie Microsoft, Google, Facebook oder Amazon widmet, versuchen die vielseitigen Texte bewusst, den Fokus auf lokale Fallbeispiele zu richten.

Dazu gehören die Entstehung der ersten Schweizer Supercomputer, die sichere Lagerung und Vernichtung sensibler Daten der öffentlichen Verwaltung, die Schweizer Verflechtungen mit chinesischen Konzernen oder spannende Einblicke in Nichtorte wie den Datenbunker der SIAG im Berner Oberland. Andere Beiträge widmen sich den Veränderungen, die neue Kryptowährungen in die Schweiz bringen, oder der Frage, wie ökologisch «grüne» Datenzentren tatsächlich sind. Begleitet wird diese Rundschau von fotografischen Eindrücken aus der Welt der Kabel, blinkenden LED-Lichter und Ventilatoren. Dabei untergraben die Essays, Studien und Reportagen einmal mehr den Mythos einer abgegrenzten «Nation» – auch die Vernetzung digitaler Infrastrukturen macht Grenzen fliessend.

Monika Dommann, Hannes Rickli, Max Stadler (Hrsg.): «Data Centers. Edges of a Wired Nation». Lars Müller Publishers. Zürich 2020. 344 Seiten. 40 Franken.