LeserInnenbriefe

Nr. 15 –

Trotz Mängeln Ja stimmen

«Trinkwasserinitiative: Vollgas ohne Geld vom Staat», WOZ Nr. 13/2021

Ich bin noch nicht sehr lange Abonnent der WOZ. Wirklich toll, was Sie gelegentlich an gut recherchierten Artikeln bringen. Wohl als einzige Zeitung in der Schweiz. Der Artikel über die beiden Initiativen gehört nicht dazu. Das Thema sauberes Trinkwasser, Herbizide, Pestizide und Kunstdünger ist zu komplex, um es anhand der Aussagen von zwei Glyphosatbauern aus dem Mittelland abzuhandeln. Schon der Titel suggeriert: Wehe, wer für die Initiativen ist, macht alles nur schlimmer. Und tatsächlich, die Lidl-Produzenten drohen quasi, bei der Annahme würden sie erst recht mit Vollgas produzieren.

Es geht hier um die grundsätzliche Frage, wie wir mit der Natur umgehen. Chemie im Trinkwasser ist keine beruhigende Vorstellung. Das Dreckwasser der 1960er Jahre haben wir durch entschiedene Massnahmen zum Verschwinden gebracht, auch beim Ozonproblem hat die Weltgemeinschaft für einmal zusammengehalten. Und beim Trinkwasser soll das nicht gelingen? Die Autorin lässt den Präsidenten von Agro-Marketing Suisse und stellvertretenden Direktor des Bauernverbands zu Wort kommen. Doch kein Wort davon, dass die Bauern am Tropf der Agromultis (Fenaco, Syngenta mit China im Hintergrund und so weiter) hängen, die sie grad auch noch beraten, wie viel sie spritzen sollen. Das mit dem Umkrempeln der Landwirtschaftspolitik, von dem die Autorin schreibt, trifft die Realität wohl nur ein bisschen. An den landwirtschaftlichen Schulen lernen sie immer noch nach Lehrbuch Agrobusiness, die Schweizer Berglandwirtschaft setzt auf Fleischproduktion und Hochleistungskühe, und bis in die hintersten Alpentäler wird Zusatzfutter aus Brasilien eingesetzt.

Gut möglich, dass die beiden Initiativen Schwächen haben (zum Beispiel das mit den unterschiedlichen Direktzahlungen), es geht hier aber um die Zukunft der Biodiversität, um einen rücksichtsvollen Umgang mit der Natur, letztlich um unser aller Zukunft.

Hansjürg Gredig, Chur

Der Artikel zur Trinkwasserinitiative ist aus verschiedenen Perspektiven zu kritisieren. Er könnte so auch in einem einfältigen Agrarmedium stehen. Zumindest fast. Dass nun auch in der WOZ ins selbe Horn geblasen wird, wie es unsere GegnerInnen tun, macht mich echt fertig. Analysiert mensch die aktuelle politische Situation, die Machenschaften der Agrarlobby sowie die Gefahren, die von den synthetischen Pestiziden ausgehen, gibt es nur den einen Weg: nämlich die beiden bevorstehenden Initiativen mit aller Kraft zu unterstützen.

Diese streben wohlgemerkt beide einen radikalen Wandel des gesamten Ernährungssystems an. Dazu zählt, den leeren Behauptungen der rückwärtsgewandten Bauernlobby den Boden zu entziehen, anstatt sie blind in eine trügerische linke Argumentation zu packen. Es wäre nach all dem Debakel im Parlament an der Zeit, die richtigen Schlüsse zu ziehen und die Verschiebungen in der Bevölkerung zu erkennen. Auch wenn man Fehler ausfindig macht, auch wenn eine Initiative nicht zu hundert Prozent den eigenen ideologischen Vorstellungen entspricht, sollten wir in der Lage sein, das grössere Ganze nicht aus den Augen zu verlieren.

Dass BäuerInnen nach Annahme der Trinkwasserinitiative aus dem Ökologischen Leistungsnachweis aussteigen, ist reinste Spekulation und verkennt den globalen Trend in Richtung Ökologisierung. Und damit ist der Wille der Bevölkerung gemeint. Wie noch unveröffentlichte Ergebnisse zum (Bio-)Konsum aus dem Jahr 2020 zeigen, will eine überwiegende Mehrheit der Schweizer Bevölkerung weniger Pestizide, und um dies zu erreichen, müssen wir die systemischen Rahmenbedingungen verändern. Keine geringere Chance als das bieten die beiden Initiativen, über die wir am 13. Juni abstimmen werden!

Hören wir also auf, so zu tun, als müsste eine Initiative so umgesetzt werden, wie es per Wortlaut definiert ist, und wenden wir unsere Energie wenn schon dafür auf, uns für eine Annahme und dann ebenso stark für eine zukunftsgewandte Umsetzung einzusetzen. Alles andere ist Politik auf Kosten zukünftiger Generationen.

Dominik Waser, Aktivist, Campaigner PestizidInitiative, angehender Biobauer, per E-Mail

Einsatz der NGOs ist gefragt

«Moçambique: Der Konzern hier, die Islamisten dort», WOZ Nr. 14/2021

Das Erdgas hätte die grosse Chance sein sollen … doch seit Jahren wird der Norden von Moçambique terrorisiert; schon Tausende wurden ermordet und Hunderttausende vertrieben. Aktuell eskaliert die Lage in Palma.

Ich kenne das Städtchen an der Grenze zu Tansania seit 1993. Ich arbeitete dort für sechs Monate am Distriktspital. Palma war ein Fischerdorf. Das einzige Auto war der Land Cruiser des Spitals – dafür gab es jede Menge traditionelle Fischerboote. Die Menschen hatten alles für ein einfaches, aber gutes Leben. Meine Aufgabe war, über das Einfache hinausgehende medizinische Probleme zu lösen. Das war anstrengend, aber notwendig, und die Menschen waren dankbar. Erholen konnte ich mich an der wunderschönen Bucht von Palma. Das ganze Paradies wird jetzt zerstört.

Der französische Ölmulti Total hat einige Mitglieder der fernen Zentralregierung bestochen und sich alle Rechte über das Gebiet gesichert, mit dem Resultat, dass der lokalen Bevölkerung ihre Lebensgrundlage entzogen wird. Jetzt ist sogar unmittelbar ihr Leben bedroht. Junge Männer aus der Region (Verbindungen zum IS?) terrorisieren ihre Landsleute – wieder einmal in Afrika an einem Ort, wo riesige private Gewinne geplant sind.

Der Terror wird nicht aufhören, trotz Einsatz von Militär und Söldnern, bis zur schlimmstmöglichen Wende, der Tötung und Vertreibung der Zivilbevölkerung. Darum: Total muss aufgeben! Nur so werden Terrorangriffe uninteressant. Der geballte Einsatz der NGOs ist gefragt. Die aufgeklärte Zivilgesellschaft in Europa hat bewiesen, dass sie in der Lage ist, die Kreise der Konzerne zu stören.

Reiner Bernath, Solothurn

Bio-Weltmeisterin!

«Kost und Logis: Bitte nicht gleich anpöbeln», WOZ Nr. 14/2021

Uns KonsumentInnen wird häufig vorgeworfen, wir würden eine ökologischere Landwirtschaft fordern, dann aber deren Produkte nicht kaufen. Das stimmt so nicht: Die Schweiz ist Bio-Weltmeisterin! Mehr geht nicht, denn viele Menschen können oder wollen die Preisdifferenz für Bio nicht bezahlen.

Die (Folge-)Kosten der Umweltschäden der konventionellen Landwirtschaft werden der Allgemeinheit aufgebürdet, Pestizide werden via reduzierten Mehrwertsteuersatz subventioniert und so weiter. So werden konventionelle Produkte künstlich verbilligt. Gleichzeitig verteuern die beiden Schweizer Grossverteiler Bio mit massiv höheren Margen (die ökologisch bewussten Menschen sind ja bereit, mehr zu bezahlen ...). Falls die Trinkwasserinitiative angenommen wird, wird pestizidfrei zum Standard, und es besteht kein Grund mehr, dafür einen Liebhaberpreis zu verlangen. Die Kosten für Schäden an der Natur werden minimiert. Robuste und standortangepasste Sorten und ihre Produkte – wie der Wein aus pilzwiderstandsfähigen Rebsorten – werden essenziell wichtig und entsprechend gefördert. (Selbstverständlich schädigen auch die Industrie und Private die Natur erheblich. Nur beziehen sie für ihre Tätigkeit meines Wissens keine staatlichen Direktzahlungen.)

Was die Furcht vor nichtökologischen Billigimporten betrifft: Der Bund hat mit dem Landwirtschaftsartikel 104a, wie er seit dem Volks-Ja zur Ernährungssicherheit im Jahr 2018 in der Verfassung steht, den Auftrag, für nachhaltige internationale Handelsbeziehungen in Landwirtschaft und Ernährung zu sorgen. Dieser Artikel wird nach einer Annahme der Trinkwasserinitiative vom Parlament, wo die Landwirtschaft so stark wie keine andere Branche vertreten ist, zum Schutz der inländischen Landwirtschaft umgesetzt werden.

Christine Gadola, Dielsdorf