RebellInnenrätsel: Der Renaissancekünstler aus der DDR

Nr. 16 –

Gibt es so etwas wie «marxistische Malerei» – Klassenkampf an der Staffelei sozusagen? Falls ja, dann hatte das Selbstverständnis dieses Künstlers damit wenig zu tun. «Im Grunde ist meine Arbeit l’art pour l’art», sagte er in einem späten Zeitungsinterview – und als der Reporter nachfragte, ob das nicht bürgerlicher Subjektivismus sei, bekräftigte er: «Damit bin ich sofort einverstanden, ein sehr gutes Wort.»

Trotz dieses retrospektiven Blicks aufs eigene Schaffen zählt der 1929 Geborene zu den bedeutendsten KünstlerInnen der DDR. Den Zweiten Weltkrieg überstand er, ohne an die Front geschickt zu werden. Kurz darauf landete er dennoch in Haft – man verdächtigte ihn fälschlicherweise, an einem Anschlag auf einen Sowjetsoldaten beteiligt gewesen zu sein. Es folgte das Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Dort nahm er dann auch die Lehrtätigkeit auf und schuf unter anderem den Zyklus «Lebenserinnerungen des Dr. jur. Schulze» – inspiriert von Berichten über ehemalige NS-Richter, die die «Entnazifizierung» in der BRD schadlos überstanden hatten. Die bildgewaltigen Gemälde erinnerten eher an die Renaissancekunst, als dem sozialistischen Realismus zu entsprechen – den Parteifunktionären gefiel das wenig.

Seiner Hochschullaufbahn schadete das nicht, und auch im Westen registrierte man zunehmend sein Schaffen. 1976 begann dann die Arbeit an seinem Opus magnum. Der Anstoss dazu kam von oben: Die Staatsführung wollte damals die Künste fördern, in der Hoffnung, international an Renommee zu gewinnen. Ausserdem stand der 450. Jahrestag des Bauernkriegs an – und der radikale Prediger Thomas Müntzer zählte zu den offiziellen Helden des Sozialismus. So ging an den Maler der Auftrag, bei Bad Frankenhausen, wo die Bauernheere einst vernichtend geschlagen wurden, ein monumentales Panoramabild zu entwerfen. Er sagte zu – unter der Bedingung, dass ihm niemand dabei hineinreden dürfe.

Mehr als ein Jahrzehnt nun arbeitete er an der Fertigstellung dieses gigantischen, sich über eine Fläche von 1722 Quadratmetern erstreckenden Projekts. Erst 1987 war es vollendet. Wenig später sollte der Staat, der das historische Werk in Auftrag gegeben hatte, selbst Geschichte sein. Wie heisst dessen Schöpfer, der zu den wichtigsten Vertretern der Leipziger Schule gehörte?

Wir fragten nach dem 2004 verstorbenen Maler Werner Tübke. Sein Hauptwerk – das Bauernkriegspanorama in der thüringischen Kleinstadt Bad Frankenhausen – trägt den Titel «Frühbürgerliche Revolution in Deutschland» und zählt zu den grössten Tafelbildern der Welt. Das Projekt wurde – allein schon wegen seiner gewaltigen Dimension – immer wieder als Propagandaarbeit kritisiert; Tübkes Bildsprache war aber wenig kompatibel mit der von der Partei verordneten historischen Zuversicht. So machte etwa die konservative FAZ bei dem Maler eine «skeptische, ja geschichtspessimistische Auffassung» aus. Die jahrelange Arbeit beanspruchte Tübke weit über die Schmerzgrenze hinaus; zeitweise musste er die Ausführung seiner Pläne seinem Kollegen Eberhard Lenk überlassen, weil er infolge von Überbeanspruchung einen Muskelriss im Daumen erlitten hatte.