Am Ende bist du doch allein: Das Flair für Kunst in der Muttermilch

Nr. 18 –

Da hängt Urs Schwarzenbach.

Seine Bilder um oder ab. Vielleicht wird er mit oder an den Kunstwerken untergehen. Vermutlich nicht. Er hat ja noch so viel – beziehungsweise seine Firmen – haben die Bilder und Häuser und Sachen im Keller – denn: Kluge Menschen lassen ihre Avatare das Zeug besitzen.

Das Hotel Dolder in Zürich, zum Beispiel. Steingewordene Metapher des Lebens von Urs Schwarzenbach.

(Nicht verwandt mit der Linie der Zürcher Skandal-Nazifreunde-KünstlerInnen-und-Generäle-Familie – sondern eben irgendein Schwarzenbach.)

Vielleicht war das die Kränkung, die den begabten jungen Mann vor anderen begabten jungen Männern, die mit ihm eine Banklehre machten, auszeichnete, und der Motor, der ihn zu Grossem führte: zu den ersten Devisenspekulationen. Raus, aus dem Mittelmass, mit dem mittelmässigsten, was einem Menschen einfallen kann: Glücksspiel. Wir nennen es: Finanzgeschäfte. Der Devisenhandel ist die Chance für jedermann, am Wettbewerb teilzunehmen: niedriger Einstieg, grosse Gewinne.

Falls man nicht verliert. Herr Schwarzenbach schaffte es. Schnell wurde er vom Zocker zum Inhaber eines eigenen Zockerbüros. Und verabschiedete sich aus dem engen Zürich in die Welt der Jagd, der Savile Row, der Adligen mit den zu lange getragenen Kaschmirpullovern und dem Hang zur Alkoholkrankheit. England.

Wo er Milliarden verdiente und wieder verlor und wieder verdiente, egal.

Er errichtete ein Gebäude aus Holdings, Family Offices und Unterfirmen – wie man das eben macht, wenn man es richtig macht, wenn Geld das Mittel zum Zweck ist und der bedeutet: dazuzugehören.

Bald war Herr Schwarzenbach Gatte einer australischen Schönheitskönigin, Freund von Prince Charles und stand im Frack an Pferderennen und Poloturnieren. Er sammelte, wie alle, die wissen, dass Geld ein dubioser Wert ist, Gebäude. In der Schweiz, in Schottland, Australien und Marokko, ein komplettes englisches Dorf mit 44 Häusern, den Landsitz Culham Court. Super Landsitz, was hängt man da rein? Kunst natürlich.

Wohlhabende, die nicht in Dekadenz geboren wurden, lieben Kunst. Haptische Sachen, mit denen man Geldflüsse verschleiern, Steuern sparen (Freilager fällt mir zusammenhangslos ein) und seinen hervorragenden Geschmack manifestieren kann. «Ich kenne mich selber aus, ich habe es in der DNA, das Flair für Kunst in der Muttermilch mitbekommen», sagte Schwarzenbach, der mit den meisten Künstlern, deren Werke er besitzt, gut befreundet ist, so wie Künstler eben mit reichen Sammlern befreundet sind, die sich mit ihnen gerne auf Stehpartys zeigen. Schwarzenbach sammelt Takashi Murakami, Joan Miró, Piet Mondrian, Henry Moore, Julian Schnabel, Jean-Michel Basquiat, Andy Warhol usw. Die Muttermilch gab ihm scheinbar ein: Öffne den Katalog moderner Kunst und kauf das Zeug.

Nun hat er sie, all die Bilder, die in seinen Häusern hängen oder unter einem Reitstall in der Schweiz lagern (was für Pferde gut ist, kann für Kunst ja nicht so übel sein) und –

alles hätte gut sein können.

Wenn nicht vermutete Sentimentalität Schwarzenbach dazu getrieben hätte, seine Geburtsstadt mit einem Besuch des alten Herrn zu demütigen.

Das frühere Wahrzeichen der Stadt, das Hotel Dolder, von denen unten im Tal ehrfürchtig bestauntes Neuschwanstein Zürichs, wanderte in Schwarzenbachs Portfolio und wurde von einem seiner «Freunde», Norman Foster, zu einem Parkhaus umgestaltet. Die berühmte Terrasse mit Blick über die Stadt wurde zu einem Streifen Beton mit Blick auf die Auffahrt des Hotels. Beim Tee kann man nun Ferraris, vergoldete Bentleys und andere Benziner der Gäste betrachten.

Im Hotel die Petersburger Hängung all der schönen Bilder – Warhol über den Empfangstresen, und immer scheint Musik zu ertönen – Klassik. Also Richard Clayderman.

Aber

die SchweizerInnen mögen Zurschaustellung von Reichtum nicht. Und reagieren mit eleganter Schadenfreude, wenn einer, den sie für einen Angeber halten, strauchelt.

So wie an dem Tag, als die Zollbehörde die Kunstwerke von Herrn Schwarzenbach vor den Augen seiner Gäste abhängte.

Und nun sitzt er da, der Urs, oder der juristische Herr Schwarzenbach, in seinem Family Office (einem der Orte, wo nur das Geld arbeitet) in der Villa Falkenstein. Vielleicht hat er Stapel seiner Bilder um sich, um nicht zu frieren in der Kälte seiner Stadt. Die er im Triumph erobern wollte.

Gegenüber der Friedhof der berühmten Zürcher,

so weit entfernt.

Sibylle Berg lebte in Ostdeutschland, Rumänien und Tel Aviv und wohnt seit langem in der Schweiz. Sie brach wie alle Start-up-EntwicklerInnen ihr Studium (Ozeanografie) ab und entwickelte keine Plattform, sondern schreibt Bücher und Theaterstücke.