Im Affekt: Grosi im Fahrradkörbchen

Nr. 24 –

Listig lächelt das Grosi hinter seiner runden Brille hervor. Das weisse Haar hat es mit Stricknadeln zu einem Bürzi hochgesteckt. Es trägt einen dunkelblauen, knöchellangen Jupe und ein braunes T-Shirt mit weissem Kragen, darüber einen blauen, selbstgestrickten Schal. Denn klar, das Grosi hat nicht nur Stricknadeln im Haar, es strickt selbstverständlich auch. Die illustrierte Grosi-Kunstfigur hat die Zürcher Verkehrskonferenz für eine Kampagne kreiert. Der Slogan: «Entspannt im Verkehr mit Grosi», gefordert wird «ein Quäntchen Respekt», und, so erfahren wir auf der Website, «mit Grosi an Bord werden wir zu vorsichtigeren Fussgängern. Zu gelasseneren Autofahrerinnen.» Dazu sind Bilder zu sehen, auf denen das Minigrosi in einem Fahrradkörbchen liegt oder strickend auf einem Steuerrad hockt.

Das Grosi als passive, asexuelle, unattraktive und völlig harmlose Figur – bescheuert und realitätsfremd! Kein Wunder, gibt es nun Widerstand von Frauen, die sich durch die diskriminierende Kampagne lächerlich gemacht fühlen und deren sofortige Absetzung verlangen. In einem offenen Brief an die Verantwortlichen schreiben Béatrice Gaudenzi (68) und Maria Dettwiler (69) Ende Mai: «Unser Verständnis für Gleichberechtigung ist ein anderes. Dazu brauchen wir keine plakativ und wie im Kinderbuch unbeholfen dargestellte Kunstfigur, die uns zu unmündigen, wehrlosen Frauen macht, die dankbar um Rücksichtnahme betteln.»

Ein realistischeres Bild der heutigen Grossmütter zeigte sich übrigens am Montag am Frauenstreik in Bern: Da machte die Gruppe Grossmütterrevolution mit Kartons auf dem Rücken und einer Tanzeinlage auf die politische Misere in Sachen Frauenstimmrecht und Frauenrechte in der Schweiz aufmerksam. Sie waren laut, unbequem, aktiv und attraktiv und forderten mit rund 10 000 weiteren Frauen in Bern: Respekt! Gleichberechtigung! Gesellschaftliche Anerkennung und fairen Lohn für Care-Arbeit! Mit ihrer Kampagne erweist die Zürcher Verkehrskonferenz diesen Forderungen einen Bärendienst.

Selbst Stereotype können lustiger sein: Hören Sie doch wieder einmal «Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad».