Im Affekt: Die schmutzige Ecke ist überall

Nr. 25 –

Bahnt sich da eine Revolte gegen sexualisierte Gewalt im Deutschrap an? Am Wochenende tauchten unter dem Namen «deutschrapmetoo» Accounts auf Twitter und Instagram auf, die Berichte von Opfern sammeln und gemeinsame Strategien aushecken; der entsprechende Hashtag läuft heiss. Angestossen wurde die Bewegung durch einen Post der Youtuberin Nika Irani, in dem sie den erfolgreichen Rapper Samra letzte Woche beschuldigte, sie vergewaltigt zu haben. Nach einem belanglosen Statement gegen Sexismus sah sich dessen Label Universal aufgrund des öffentlichen Drucks schliesslich gezwungen, die Zusammenarbeit mit dem Rapper zu sistieren. Die Selbstverständlichkeit, mit der sexistisches Verhalten von der Industrie gedeckt wird, wurde ein bisschen angekratzt – so viel zu den guten Nachrichten.

Die Diagnose ist allenthalben schnell zur Hand: Die Rapszene habe ein unaufgearbeitetes Sexismusproblem. Natürlich, viele Raptexte enthalten wüste sexistische Zeilen, doch die Eingrenzung des Problems ist verfänglich, könnte man dabei doch meinen, es handle sich hier um eine abgeschlossene Subkultur, um eine schmutzige Ecke im gesellschaftlichen Untergrund. Die Wahrheit ist: Deutschrap, vor allem der von der gröberen Sorte, ist eines der erfolgreichsten Musikgenres in Deutschland, die Rapper sind bei den ganz grossen Labels unter Vertrag. Und diesen Erfolg verdanken sie nicht zuletzt der Gewaltlust und dem Voyeurismus des Publikums. Der Gangsterrapper ist der böse Clown des Popmainstreams.

Und wenn das Publikum schon seine dunklen Gelüste auf die bösen Jungs projiziert, ist es dann auch nicht überrascht, wenn einer seinen Worten Taten folgen lässt. So ein grobgehobelter, aufgepumpter Rapper sieht schliesslich eher wie ein Vergewaltiger aus als – sagen wir – ein in Pastell gehülltes, schlaksiges Indiebübchen. Abgesehen davon, dass das ein grober Kurzschluss ist, ist das Problem freilich nicht eines von Rap, sondern eines der patriarchal organisierten Musikindustrie.

Oder wie es beim deutschen Rapper Azad einmal hiess: «Ich schicke jeden nach Hause, als wär mein Name Sonntag.»