William O’Neal: Als FBI-Spitzel in den Reihen der Black Panthers

Nr. 26 –

Fred Hampton war eines der berühmtesten Opfer von Polizeigewalt in den USA der sechziger Jahre. Doch in «Judas and the Black Messiah», dem neuen Film von Shaka King, ist er nur Nebendarsteller.

Um es gleich vorwegzunehmen: «Judas and the Black Messiah» von Shaka King ist, obwohl er auf historischen Fakten beruht, kein Film über die Black Panther Party (BPP) in Chicago oder gar ein Biopic über deren Anführer Fred Hampton. Auch wenn Daniel Kaluuya das charismatische Auftreten Hamptons überzeugend aufleben lässt – als Redner an Veranstaltungen etwa oder wenn er Allianzen schmiedet mit Schwarzen Gangs und den weissen Young Patriots, deren Hauptquartier eine Südstaatenflagge ziert. Fred Hampton ist der Prototyp jenes «Schwarzen Messias», den FBI-Direktor J. Edgar Hoover so sehr fürchtete, dass er 1968 alle Kräfte seines geheimen Überwachungs- und Vernichtungsprogramms Cointelpro bündelte, um «den Aufstieg eines schwarzen Messias zu verhindern», der die radikalen Schwarzen Bewegungen hinter sich vereinen könnte.

Die Methoden waren perfid. So wurden etwa Spitzel in Organisationen wie die BPP eingeschleust, um Misstrauen zu säen und Mitglieder zu kriminellen Handlungen zu motivieren. William O’Neal war einer von ihnen. Er zählte keine zwanzig Jahre, als ihn das FBI rekrutierte – zwangsrekrutierte eigentlich, denn O’Neal hatte mit einem gefälschten FBI-Ausweis ein Auto geklaut. Und so stellte ihn Agent Ray Mitchell vor die Wahl, entweder für Jahre im Gefängnis zu verschwinden oder aber bei den Black Panthers anzuheuern und das Vertrauen von Hampton zu gewinnen. Das ist die Ausgangslange von «Judas and the Black Messiah».

Im Fadenkreuz

Dem unpolitischen O’Neal (LaKeith Stanfield) wird eingebläut, die Panthers seien quasi die Kehrseite der Medaille zum Ku-Klux-Klan. O’Neal macht seine Sache gut: Als Hampton im Sommer 1969 verhaftet wird – angeblich soll er Glace im Wert von 71 Dollar von einem Eiswagen gestohlen haben –, rückt O’Neal zum Sicherheitschef auf und damit in den innersten Kreis der BPP von Chicago vor. Doch das erhöht nur den Druck, den das FBI auf ihn ausübt. In Abwesenheit des Anführers soll er die Panthers zu einem Bombenanschlag verleiten. Er organisiert einen Kofferraum voll C4-Sprengstoff und zeigt diesen stolz dem inzwischen freigelassenen Hampton. Der aber will nichts von solchen Aktionen wissen und schimpft O’Neal einen Idioten.

O’Neal, längst in tiefe Loyalitätskonflikte verstrickt, wird von Mitchell, dem seinerseits Hoover im Nacken sitzt, immer stärker an die Wand gedrängt. Dem FBI-Chef genügt es nicht, Hampton zurück hinter Gitter zu bringen – das Gefängnis habe Huey Newton, den Mitbegründer der BPP, überhaupt erst zur Berühmtheit gemacht. Der Anführer der Chicagoer BPP muss «eliminiert» werden. Und O’Neal soll zur Vorbereitung eine detaillierte Zeichnung der Wohnung anfertigen, in der Hampton und seine nächste Entourage übernachten. Als er sich weigert, droht ihm Mitchell, ihn als Spitzel zu enttarnen. Und so überreicht O’Neal Fred Hampton am 3. Dezember 1969, kurz bevor er selber die Wohnung verlässt, einen Schlummertrunk mit Schlafmittel drin, das Hampton nicht aufwachen lässt, als eine Spezialeinheit der Chicagoer Polizei am frühen Morgen gewaltsam die Wohnung stürmt und ihn mit zwei gezielten Kopfschüssen tötet.

Neue Schwarze Stimmen

Der Dokumentarfilm «The Murder of Fred Hampton» löste bei seinem Erscheinen 1971, drei Jahre bevor das FBI-Programm Cointelpro aufflog, grosse Diskussionen aus. Wie leicht wäre es heute gewesen, Fred Hampton mit seinem prophetischen Posterspruch «You can kill a revolutionary, but you can’t kill the revolution» erneut zum Märtyrer einer ganzen Bewegung zu machen.

Doch Shaka King interessiert sich weniger für den «Schwarzen Messias» als für die Figur des «Judas»: William O’Neal. Ein ebenso mutiger wie kluger Schritt. O’Neal ist eine ambivalente, abgründige und letztlich tragische Figur. Im Abspann des Films spielt King einen Originalausschnitt aus dem einzigen Interview ein, das der reale O’Neal je gab. «Ich war Teil des Kampfs», antwortet er auf die Frage, was er seinem Sohn über jene Zeit vor zwanzig Jahren erzählen würde. «Soll die Geschichte über mich urteilen.» Am Abend der Erstausstrahlung brachte er sich um.

Das FBI brachte in den sechziger und siebziger Jahren unzählige O’Neals hervor. Ohne ihre Geschichten bleibt das zerstörerische Ausmass von institutionellem Rassismus in den US-Exekutivbehörden nur unvollständig sichtbar.

Mit «Judas and the Black Messiah» reiht sich Shaka King ein unter die aufregenden Stimmen einer jungen Generation Schwarzer US-FilmemacherInnen wie Barry Jenkins, Ava DuVernay, Ryan Coogler oder Jordan Peele, deren Filme das Zürcher Kino Xenix aktuell im Spezialprogramm «New Voices in Black Cinema» zeigt. Eine offenbar gut vernetzte Szene, wie sich dabei entdecken lässt: Coogler hat «Judas and the Black Messiah» mitproduziert und in «Black Panther» (2018) mit Kaluuya gearbeitet, der wiederum bereits in Peeles «Get Out» (2017) zusammen mit Stanfield vor der Kamera stand.

Judas and the Black Messiah. Regie: Shaka King. USA 2020