#digi: Von wegen anonym

Nr. 37 –

Protonmail gilt als sicherer Anbieter für verschlüsselte und anonyme Mails. Trotzdem muss der 2013 gegründete und in Genf ansässige Dienst immer wieder Daten seiner NutzerInnen an die Schweizer Behörden aushändigen. So forderten diese jüngst die IP-Adressen eines Klimaaktivisten, gegen den in Frankreich ermittelt wird. Dieser war mutmasslich in Hausbesetzungen involviert und kommunizierte über Protonmail.

Das tun weltweit rund 50 Millionen Menschen – darunter Journalistinnen, Menschenrechtsaktivisten, Oppositionspolitikerinnen. Sie alle tun dies in der Hoffnung auf guten Datenschutz, Verschlüsselung und Privatsphäre. Lauter Dinge, mit der in der Schweiz seit eh und je geworben wird. Ein Mythos, der einmal mehr entlarvt wurde.

Schuld daran ist nicht in erster Linie Protonmail. Der Dienst muss sich allenfalls für ungeschickte Werbung verantworten, versprach er doch bisher, keine IP-Adressen zu speichern, «die mit Ihrem anonymen E-Mail-Konto verknüpft werden können». Dass das bei behördlichen Auskunftsbegehren nicht mehr gilt, bleibt unerwähnt.

Das Problem sind vielmehr die diversen Überwachungsgesetze, die in der Schweiz in den letzten Jahren durchgeboxt wurden. Sie erlauben eine umfassende Überwachung unserer elektronischen Kommunikation – eine Möglichkeit, die rege genutzt wird (siehe WOZ Nr. 14/2021 ). Kein Wunder, ist auch Protonmail immer wieder im Visier der Behörden. Im letzten Jahr erhielt der Dienst über 3500 Auskunftsbegehren. 2017 waren es gerade mal 13 gewesen. Gegen 750 davon wehrte sich Protonmail im letzten Jahr – bei 500 erfolgreich –, darunter auch gegen eines, das Informationen über eine Gruppe investigativer JournalistInnen verlangte.

Im aktuellen Fall zogen offenbar französische Behörden die Schweiz zu Hilfe. «Es gab keine Möglichkeit, Widerspruch einzulegen», erklärt Firmenchef Andy Yen. Er ist besorgt, dass die rechtlichen Möglichkeiten in diesem Fall genutzt wurden – obwohl die Überwachungsgesetze mit Verweis auf besonders schwere Verbrechen gerechtfertigt wurden. Hausbesetzungen von KlimaaktivistInnen fallen kaum darunter. Doch offenbar bedeutet Schweizer Qualität auch, dass Behörden selbst bei harmlosen Delikten mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln vorgehen.