Diesseits von Gut und Böse: Heilige Weihnachtszeit

Nr. 50 –

Eigentlich spielt der Zeitpunkt, wann man armen Leuten in der reichen Schweiz die Unterstützung streicht, ja keine Rolle; doch daran, dass der Zürcher Bezirksrat die Basishilfe für Sans-Papiers ausgerechnet in der Adventszeit verbietet, zeigt sich der Zynismus des Reichtums besonders gut.

Weil auch in Zürich bei Gratisessensausgaben die Warteschlangen immer länger werden, hatte SP-Sozialvorsteher Raphael Golta eine Hilfsmassnahme beschlossen: Bedürftige, die keinen Anspruch auf Sozialhilfe oder Angst haben, sich an eine Behörde zu wenden, weil sie als Ausländer:innen oder Sans-Papiers ausgewiesen werden könnten (siehe «wobei» Nr. 6/21 ), konnten seit letztem Sommer auf Antrag über ein Hilfswerk Bargeld erhalten. 49 Erwachsene und 24 Kinder haben diese Möglichkeit bisher genutzt, rund 90 000 Franken hat das gekostet.

Dass damit jetzt Schluss ist, verdanken die Betroffenen drei stromlinienförmig dynamischen Stadtzürcher FDP-Mitgliedern mit juristischer Bildung, die gegen die Basishilfe Aufsichtsbeschwerde erhoben, worauf der Bezirksrat die Auszahlungen ab sofort verbot: Sie widersprächen eidgenössischem Recht, Bedürftige könnten ja beim Sozialamt Nothilfe (8.50 Franken/Tag) beantragen. Weil die Leute sich da nicht hintrauen, beisst sich das Problem in den Schwanz, und es wird deutlich, dass das die saturierten Kreise gar nicht interessiert.

Ich bin ja nicht so der Weihnachtstyp, das ganze Geklingel, Geglitzer und Geleuchte ist mir von Herzen egal. Aber die Stromlinienförmigen werden bald wieder in Kirchen mit feuchten Augen der rührenden Geschichte lauschen, in der sich ein schlichtes Paar – er Zimmermann, sie schwanger – zur Volkszählung aufmacht, unterwegs von Wehen überrascht wird und keine Herberge findet. Weil das schon sichere 2000 Jahre her ist, spüren sie plötzlich viel christliche Liebe.

Möge ihnen ihre Weihnachtsgans bleischwer im Magen liegen.