Im Affekt: Kinderblut zum Advent

Nr. 51 –

Das Jahr begann mit durchgedrehten Trump-Fans im US-Kapitol – nun endet es mit dem Beleg, dass irrwitzige Verschwörungstheorien auch in der Schweiz unerwartet verbreitet sind. Die vergangene Woche ausgestrahlte SRF-Dokumentation «Der Teufel mitten unter uns» ist ein veritabler Gruselfilm: Es geht um satanistische Netzwerke, die Kinder rituell missbrauchen und töten, um ihr Blut zu trinken. Klingt so haarsträubend, wie es ist. Umso erschütternder, dass Personen in nicht ganz irrelevanten Positionen diese Geschichten glauben.

So tritt in dem SRF-Film ein paranoides Lehrer:innenpärchen aus dem Baselbiet auf, das behauptet, Kinder würden durch systematische Schwängerung von Frauen «gezüchtet» und geopfert. Ein Oberarzt aus dem Thurgau faselt von einer «Parallelwelt, die sich extrem gut zu schützen weiss» und in der «alle Grausamkeiten, die Menschen ersinnen können», verübt würden. Und ein ranghoher Zürcher Stadtpolizist erzählt freimütig, dass es für ihn «keinen Grund» zur Annahme gebe, dass an diesen Berichten nichts dran sei.

Die SRF-Reporter:innen Robin Rehmann (der sich mitunter arg unbedarft gibt, aber geschenkt) und Ilona Stämpfli weisen dabei darauf hin, dass der Glaube an Kinderblut gurgelnde Kulte keineswegs neu ist: In den achtziger Jahren gab es in den USA haufenweise solche Horrorstorys. 1994 berichtete die «New York Times» dann allerdings, dass bei einer Untersuchung Tausender angeblicher Fälle kein einziger Hinweis auf satanistische Netzwerke zu finden gewesen sei. Trotzdem lebte die von evangelikalen Gruppen geschürte «satanic panic» fort – heute etwa im QAnon-Kult.

Ehe jedenfalls gleich ein neues Wahnsinnsjahr beginnt, hier eine triviale, aber offenkundig nötige Handreichung zum kognitiven Selbstschutz: Wer wilde Thesen aufstellt, ist beweispflichtig – und nicht die anderen. Das gilt erst recht, wenn es um obskure Machenschaften geht, die sich per se schlecht widerlegen lassen. Im Gegensatz zum Teufel ist vom Verschwörungsglauben nämlich bestens belegt, welchen Schaden er anrichtet.

Immerhin wirkte die «satanic panic» in den Achtzigern inspirierend auf den Heavy Metal. In diesem Sinne: Hell awaits!