Dieser bemühte Funk, diese penetranten synthetischen Fanfaren, die irgendwie Disco behaupten und doch nur streng deodorisiert nach Aerobic klingen: In der Version von Laura Branigan war «Gloria» das schiere Grauen, schlimmer noch als das italienische Original von Umberto Tozzi.

Jetzt aber: wundersame Verwandlung! Der aufgedrehte Gassenhauer hat sich in einen abgedrehten Fiebertraum von dunkel schillernder Pracht verzaubert. Wie ein majestätischer Abgesang, der in einem bröckelnden Palast verhallt. Ist das wirklich noch derselbe Song, diese Hymne von verwaschener Grandezza? Wer schafft so was? Und vor allem: Wie schafft sie das?

Angel Olsen, wer sonst. Sie bremst den Partyschlager gnadenlos aus, zerdehnt ihn wie in Superzeitlupe. So ähnlich verfährt sie dann auch bei den übrigen Covers auf ihrer schwelgerischen EP «Aisles». Es sind lauter altbekannte Hits aus den Achtzigern, die sie hier ganz neu frisiert – allesamt älter auch als sie selbst, geboren 1987 in St. Louis. Dass das ein Minialbum aus dem Lockdown ist, kann man schon an den fünf Titeln ablesen, die Olsen da ausgesucht hat. «Eyes Without a Face» von Billy Idol erwies ursprünglich dem gleichnamigen französischen Horrorfilm Reverenz, aber inzwischen ist das ja trauriger Alltag geworden: überall Augen ohne Gesicht, weil Maskenpflicht. Zwischen akustischer Gitarre und synthetischen Handclaps entlockt Angel Olsen dem Song eine kristalline Leichtigkeit, die dieser bei Billy Idol nie hatte.

Oder dann «Safety Dance» von 1982, mit dem Men without Hats auf recht biedere Weise den Kontrollverlust beim Pogo feiern wollten. Bei Olsen wird daraus ein aufreizend verlangsamtes Manifest über das Tanzrisiko in Zeiten der Pandemie, und vor dem Fade-out dichtet sie selber die bange Frage hinzu: «Is it safe to dance?» Aber egal, tanzen wir eine Weile weiter, wie sie zum Schluss mit Alphaville singt: für immer jung, bis die ins Morbide verfremdeten Streicher verhallen. Kurz, aber episch.

Angel Olsen: Aisles. Jagjaguwar. 2021