E-Lastwagen: Stau in den Alpen
Den alpenquerenden Autobahnen droht zusätzlicher Lastwagenverkehr. Grund dafür ist der Entscheid des EU-Parlaments, klimafreundlichere Elektro- und Wasserstofflastwagen in der EU langfristig und weitgehend von der Schwerverkehrsabgabe zu befreien. Das hat zur Folge, dass der Strassentransport günstiger als der Verlad auf die Eisenbahn wird. Eine Vorlage ohne diesen gewichtigen Mangel hatten zuvor ein Länderveto und ein Vorschlag Deutschlands trotz der Mahnungen von Umweltverbänden verhindert. Und so erhalten die neu gebauten respektive im Bau befindlichen alpenquerenden Transitbahnen in der Schweiz und Österreich Konkurrenz, die zudem gar nicht besonders klimafreundlich ist. Denn die Ökobilanz von E-Lastwagen kann sogar schlechter ausfallen als jene von Diesel-Lkws, wenn die Energie nicht komplett aus erneuerbaren Quellen stammt. Und Lärm und Feinstaub durch den Abrieb verursachen alle Lkws. So droht das Schweizer Verlagerungsziel auf die Bahn noch weiter in die Ferne zu rücken.
Es ist fraglich, ob der vom Bund angestossene, im Grundsatz sinnvolle Umbau der schweizerischen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) genügend und rechtzeitig Lenkungswirkung erzielen wird. Auch die von der Schweiz propagierte Limitierung der Transportkapazitäten durch die Alpen scheitert bisher an Deutschland und Italien. Diese wollen für ihre Güter freie Fahrt. Auch deshalb zeigt die Debatte um die Lkw-Abgabe exemplarisch die Ambivalenz einer Klimapolitik auf, die in erster Linie auf neue Technik setzt. Letztere hat durchaus Potenzial, sauber ist aber auch sie nicht. Entscheidender: Neue Technologien bieten den idealen Vorwand, um wie bisher weiterzumachen.
Beim Transitverkehr mag die Schweiz die Leidtragende dieser verfehlten Klimapolitik sein. Das hindert sie aber nicht daran, nach demselben Muster den Autobahnausbau in den Ballungsgebieten zu forcieren (siehe WOZ Nr. 6/2022 ). Notwendig wäre stattdessen eine Abkehr vom Primat des Wirtschaftswachstums – oder wie es die Klimastreikenden treffend skandieren: «System change, not climate change!»