Leser:innenbriefe

Nr. 11 –

Offen bleiben

«Anthroposophie: Kosmos, Kräfte, Kuhhörner», WOZ Nr. 8/2022

Der Anfang des Artikels erscheint zuerst wie viele andere Artikel: plakativ mit einer Sammlung von Zitaten des Begründers der Anthroposophie, Rudolf Steiner. Sie zerzausen und reduzieren das Gesamte, was so nicht reduziert werden kann. Leider wird vergessen, dass Steiner wenig aufgeschrieben hat, sondern seine Vorträge aufgeschrieben wurden. So hat sein Wissen ein indianisches Prinzip verlassen, Weisheiten mündlich weiterzugeben, damit sie sich auch dynamisch weiterentwickeln können.

Steiner wirkte vor gut hundert Jahren, und seine Ideen waren in dieser Zeit revolutionär. Die Welt war in Nöten und brauchte neue Impulse. Was die Menschen mit diesen Impulsen machen, ist unterschiedlich, doch sein Impuls wirkt heute noch auf all den Ebenen, wo er diesen gab. Er gab vor allem Antworten auf Fragen, und diese fordern noch immer neue Fragen heraus.

Dass Steiner selbst aus der anthroposophischen Gesellschaft, die seine Anhänger gegründet hatten, ausgestiegen ist, wird im Artikel leider verschwiegen. Dies zeigt aber ein wichtiges Detail seines Charakters auf, nämlich dass er kein Guru sein wollte, sondern ihn die Menschen zum Guru machen wollten.

Was ich an ihm besonders spüre und schätze, ist die Verwandtschaft mit «indigenem Denken». So wie Steiner die Erde, den Kosmos schon vor gut hundert Jahren aus dem Bewusstsein erfahren hat, haben damals und heute noch kleine indigene Völker dies intuitiv erfahren, also Wissen ohne Denken. Die Erde und der Kosmos war/ist für sie kein Gegenüber, sondern sie erlebten sich als Eins-Sein mit der Natur, dem Kosmos. Dieses «Wissen» haben wir sesshaften, kolonialisierten Menschen grösstenteils verloren und den Respekt vor der Schöpfung dazu. Den braucht es aber dringend, um unsere Erde nicht weiter auszubeuten, mit ihr wieder partnerschaftlich umzugehen.

Da kann Steiner die Impulse geben, dieses Bewusstsein für ein neues Denken zu erlangen. Den Weg machen wir aber selber. Der Schluss des Artikels endet erfreulicherweise dort, wo Anthroposophie vielleicht hinwill, nämlich weiterhin offen bleiben und dem Leben Fragen stellen.

Thomas Lienhard, Ebnat-Kappel

Enttäuscht

«Satanic Panic: Der Teufel im Therapiezimmer», WOZ Nr. 8/2022

Ehrlich gesagt: Das hätte ich mir bislang nicht vorstellen können, dass ausgerechnet dieses Blatt einen doppelseitigen Artikel veröffentlicht (finanziert aus dem Förderverein ProWOZ), der so schlecht recherchiert ist, der mehrheitlich Inhalte aus der SRF-Sendung zum Thema übernimmt, in dem international anerkannte Fachpersonen desavouiert werden und keine:r von ihnen befragt wird oder die Möglichkeit erhält, dazu Stellung zu nehmen. Ausserdem wird eine ganze Berufsgruppe zu gutgläubigen Idiot:innen erklärt.

Da ich auch zu dieser Berufsgruppe gehöre, werden Sie meinen Widerspruch vermutlich abtun. Aber vielleicht ist die Redaktorin ja bereit, sich bei der juristischen Fraktion dieses Landes und bei den Strafverfolgungsbehörden zu erkundigen. Den durch rituelle Gewalt geschädigten Menschen wäre es zu wünschen, dass das Thema in der Öffentlichkeit bleibt und differenziert diskutiert wird, wie wir das sonst von der WOZ eigentlich gewöhnt sind.

Birgit Milz, eidg. anerkannte Psychotherapeutin, Basel

Videoüberwachung

«Watching the World», Fotokolumne jeweils auf der letzten WOZ-Seite

Normalerweise setzt sich die WOZ gegen Videoüberwachung und für den Schutz von Persönlichkeitsrechten ein, daher kann ich es nicht verstehen, wieso sie diese Bilder von Überwachungskameras publiziert. Wissen die Menschen, die sich durch das Blickfeld dieser Kameras bewegen, dass diese Bilder öffentlich zugänglich sind? Und wissen sie, dass ihre Bilder in einer Zeitung abgedruckt werden? Ich zumindest wäre alles andere als glücklich, wenn ich irgendwo im Urlaub plötzlich mein Bild in einer Zeitung sehen würde, das von irgendeiner Webcam gestohlen wurde.

Matthias Botzen, per E-Mail

Fummeln

«Von oben herab: Stöhn!», WOZ Nr. 7/2022

Zum Wort «fummeln»: Auch ich habe früher das Satiremagazin «Mad» gelesen und kenne die Ausdrücke, die Stefan Gärtner aufzählt. «Fummeln» wird allerdings dem Film «Zur Sache, Schätzchen» (1968, mit Uschi Glas) zugeschrieben. Das Wort habe durch diesen Film Eingang in die deutsche Alltagssprache gefunden.

Beatrice Willen, Sumiswald