Zwischennutzungen: Urbane Atemnot

Nr. 14 –

In Zürich wird die Raumfrage immer drängender. Die Stadt ist zu einer wichtigen Akteurin im Bereich der Zwischennutzungen geworden. Selbstverwaltete Kollektive kämpfen derweil ums Überleben, Besetzungen verschwinden. Stirbt hier gerade die Utopie?

Kaum rührt Severin Schaad in seinem Espresso, erkundigt sich ein junger Mann über den Zaun hinweg, warum denn das Tor verschlossen sei. Schaad lächelt leicht beschämt und erklärt dem Besucher, dass man beschlossen habe, das Gelände des «Park Platzes» aufgrund einiger Vorfälle von Gewalt und Brandstiftung für zwei Wochen dichtzumachen. «Um durchzuatmen», sagt Schaad. Dem jungen Mann rät er dann, trotzdem einfach über den Zaun zu klettern.

Der «Parki» ist eine nicht kommerzielle Zwischennutzung in Zürich Wipkingen. Hier finden politische Mobilisierungen genauso statt wie spontane Treffen von Eltern und Kindern aus dem Quartier. Und eigentlich hätte man hier grosse Pläne, man möchte etwa den Gastrobetrieb ausbauen. Aber der Vertrag zwischen der Stadt und dem Quartierverein Wipkingen, die das Areal dem «Parki» als Betriebsgruppe zur Verfügung stellen, lief offiziell Ende 2019 aus. «Da spricht man von Freiräumen und wie nötig sie seien», sagt Schaad, «und dann verhindert man, dass sie eine Zukunft haben.»

Erst kürzlich wurde in Zürich gewählt. Die mächtigsten Parteien der Kommunalpolitik, die SP und die Grünen, konnten sich auf die mobilisierende Wirkung ihrer Steckenpferde verlassen: mehr Velowege und mehr genossenschaftlicher Wohnungsbau. Aber unter der polierten Oberfläche der sozialdemokratischen Utopie Zürich spitzt sich derzeit die Raumfrage zu. Die Räumung des Koch-Areals, der mit Abstand grössten Besetzung der Stadt, rückt immer näher. Das kolossale Polizei- und Justizzentrum, erbaut auf einem Areal, das bis vor wenigen Jahren noch Heimat der Autonomen Schule Zürich (ASZ) war, wird gerade bezogen. Auf der anderen Seite der Gleise wurde letztes Jahr im Gebäude der ehemaligen Zentralwäscherei Zürich (ZWZ) eine riesige Zwischennutzung unter demselben Namen einquartiert – verwaltet von der städtischen «Raumbörse Dynamo». Nicht alle sind damit einverstanden.

Die WOZ hat sieben Zwischennutzungsprojekte in Zürich besucht, mit mehreren Expert:innen und Politiker:innen gesprochen und sich so einen Überblick über einen Konflikt verschafft, bei dem die meisten Akteur:innen einander kennen, es alle irgendwie gut meinen – und bei dem es doch um viel mehr geht als um einzelne Projekte und Initiativen: um Freiräume in einer verplanten Stadt und darum, was sie überhaupt auszeichnet. Im Zentrum dieses Streits steht heute die von der Gemeinde zur Verfügung gestellte Zwischennutzung, ein Konzept, das nicht nur in Zürich in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung gewonnen hat. Ist das jetzt die Belohnung für jahrzehntelangen Häuserkampf – oder die Grabstätte der Utopie?

Die Raumbörse nahm ihre Arbeit 2010 auf. Sie soll günstige Räume für die Bevölkerung bereitstellen. Im Fokus stehen Atelierplätze, Musikräume und Büros für Personen unter 28 Jahren. Die Zwischennutzungen werden nach der Ausschreibung in der Regel kostendeckend vergeben. Mittlerweile verwaltet die Raumbörse rund 23 000 Quadratmeter Fläche.

(grosse Ansicht der Collage)

Eines ihrer grössten Projekte liegt in der Manegg, einem Zürcher Aussenquartier. Der Bezug ehemaliger Lagerhallen steht bevor. Im früheren Verwaltungshaus sitzt Yves Sablonier auf einer grosszügigen Terrasse, von der aus man auf die bezugsbereiten Hallen sieht. Sablonier ist Mitglied des nicht kommerziellen, autonom organisierten Zwischennutzungskollektivs Zitrone. Die Zitrone hatte sich gegen den vorzeitigen Abriss der Liegenschaft eingesetzt und überhaupt erst erwirkt, dass diese heute zwischengenutzt werden kann, bis die Stadt dereinst mit dem Bau eines neuen Schulhauses beginnen wird.

Die Zitrone betreibt schon seit vielen Jahren Zwischennutzungen in Zürich. Sie versucht jeweils, Gebrauchsleihverträge direkt mit den Eigentümer:innen abzuschliessen. Am jetzigen Standort muss das Kollektiv einen solchen Vertrag aber mit der Raumbörse eingehen. Unterzeichnet wurde dieser bislang noch nicht. Einen ersten Entwurf hat die Zitrone zurückgewiesen mit der Begründung, die veranschlagten Preise entsprächen nicht einer Gebrauchsleihe. Anders als bei einem Mietverhältnis dürfen bei einer Gebrauchsleihe den Nutzer:innen nur Nebenkosten verrechnet werden. Eine überarbeitete Version des Vertrags steht noch aus.

Die Verhandlungen für einen neuen Vertrag sind auch in Zürich Wipkingen ins Stocken geraten. Gemäss durchgesickerter Informationen liebäugelt die Stadt damit, dem «Parki» ebenfalls einen Vertrag über die Raumbörse anzubieten. «Aber einen Zwischenhändler brauchen wir nicht», sagt Schaad.

Mehrere Nutzer:innen erheben den Vorwurf, die Stadt habe sich zum Ziel gesetzt, alle Zwischennutzungen auf städtischen Arealen der Raumbörse zu unterstellen. Neben der Zitrone und dem «Parki» sind auch die ASZ und das Feministische Streikhaus in Liegenschaften der Raumbörse untergebracht. Ebenso die Wunderkammer in Opfikon, die zunächst noch einen direkten Vertrag mit der Liegenschaftsverwaltung abgeschlossen hatte. Die Sozialen Dienste weisen den Vorwurf auf Anfrage zurück: «Es gibt sehr langfristige Zwischennutzungen, die weiterhin von den Liegenschaften Zürich organisiert werden; bei Grundstücken oder Brachen ist meist Grün Stadt Zürich im Lead.» Die Raumbörse werde so oft als Verwalterin angefragt, weil sie über viel Know-how verfüge.

Zankapfel Zentralwäscherei

In einem Büroraum im Erdgeschoss der ZWZ finden sich an diesem Nachmittag sechs Mitglieder des Vereins Zentralwäscherei (ZW) zum Gespräch ein. «Wir haben vielleicht eine andere Beziehung zur Stadt als andere Zwischennutzungen, weil wir von der Stadt initiiert wurden», sagt eine der Anwesenden. Aber man habe von Anfang an klar vereinbart, dass dies ein unabhängiger Raum werde. Der Verein, dem zwischen sechzig und siebzig aktive Mitglieder angehören, bespielt das Erdgeschoss der ZWZ mit einem nicht kommerziellen Kulturraum und einem Café. Die Fläche umfasst rund 1000 Quadratmeter. In den vier oberen Stockwerken des Gebäudes befinden sich diverse Ateliers und Arbeitsräume, mit denen der Verein nichts zu tun hat.

Dass auf den insgesamt fast 6000 Quadratmetern des Gebäudes eine Zwischennutzung entstand, ist vor allem dem Stadtrat Daniel Leupi, Vorsteher des Finanzdepartements, zu verdanken. Als klar geworden sei, dass der Wäschereibetrieb nach Regensdorf verlegt werde, habe er sich des Leerstands angenommen, erzählt Leupi im Gespräch mit der WOZ. «Die ZWZ trägt schon meine Handschrift», sagt er. Er habe einen niederschwelligen Ausgangs- und Eventort für junge Menschen schaffen wollen. «Das Sozialdepartement hat dafür mit der Raumbörse eine Verwaltungseinheit bereitgestellt, welche die Szene kennt und auch die Ausschreibung durchführen konnte.»

Die Raumbörse vermietet die Ateliers in den oberen Stockwerken für 95 Franken pro Quadratmeter und Jahr. Der Verein ZW hat dagegen einen Leistungsauftrag der Stadt erhalten, einen «unkommerziellen Kulturraum mit Fokus auf junge Erwachsene» anzubieten. Dafür wird ihm ein Mietzinserlass über vier Jahre im Wert von 500 000 Franken gewährt. Hinzu kommt eine einmalige Zahlung über 500 000 Franken für den Umbau.

Diese finanzielle Zuwendung und der damit verbundene Auftrag stiessen auf Kritik, namentlich auch vonseiten anderer, unabhängiger Zwischennutzer:innen. Der Verein lasse sich von der Stadt für deren Politik der Kontrolle von Freiräumen einspannen, sagen mehrere Personen zur WOZ.

Diese Kritik beruhe auf Vorurteilen, entgegnet ein Mitglied des Vereins ZW. Die online einsehbare Leistungsvereinbarung mit der Stadt sei bewusst sehr offen formuliert und entspreche dem unabhängigen Selbstverständnis des Vereins. In den Umbau ihrer Räumlichkeiten sei zudem viel unbezahlte Arbeit und Herzblut geflossen. Das Geld der Stadt sei bloss ein Tropfen auf den heissen Stein.

Auch der ZWZ-Patron Daniel Leupi kennt diese Diskussionen: «Der Verein ZW hat im Gegensatz zu anderen Nutzer:innen der Raumbörse einen klaren Auftrag, an den er sich halten muss.» Und das, so Leupi, würden andere Zwischennutzungen ja unbedingt vermeiden wollen. Die Frage nach der staatlichen Finanzierung ist nicht zuletzt so aufgeladen, weil Stadtrat Leupi selbst gemäss mehreren Personen an diversen Anlässen betont habe, mit der ZWZ einen Ersatz für das besetzte Koch-Areal bereitzustellen. Darauf angesprochen, dementiert Leupi, jemals von einem Ersatz gesprochen zu haben. Die Rede sei jeweils von einer «Fortsetzung» gewesen: «Für den Eventbereich des Koch-Areals ist der Kulturraum der ZWZ eine Art Weiterführung, weil das klar einem Bedürfnis vieler junger Menschen entspricht.» Und weiter: «Ich glaube, es steht mir als Politiker frei zu sagen: Ich finde diesen Eventbereich ein cooles Angebot, versuchen wir, etwas Analoges aufzubauen.»

Severin Schaad wertet die Situation anders: «Es geht doch ganz klar um Kontrolle.» Mit einer Besetzung habe die ZWZ nichts gemein. Auch die Mitglieder des Vereins ZW weisen den Vergleich zurück, er sei nicht konstruktiv: «Es ist wichtig, dass verschiedene Räume mit verschiedenen Netzwerken und Bedürfnissen bestehen.»

Atemlos durch die Stadt

Der Streit um die Stadtzürcher Freiräume – er erinnert bisweilen an eine Seifenoper. Alle Beteiligten fühlen sich missverstanden, machen einander Vorwürfe, sind irgendwie beleidigt. Vielleicht kann man das als Ausdruck einer Sättigung verstehen, vielleicht gibt es heute in Zürich genug Freiräume und nichtkommerzielle Angebote; vielleicht trifft aber auch genau das Gegenteil zu.

Luca Pattaroni ist Stadtsoziologe und forscht an der EPF Lausanne zu Freiräumen und Subkultur. Er verortet Zwischennutzungen innerhalb des grösseren Kontexts einer «Entpolitisierung des städtischen Raums». Entscheidend seien zwei parallel erfolgende Prozesse: erstens der kapitalistische Druck zur Verwertung von Land, also Gentrifizierung, steigende Bodenpreise, Kommodifizierung; zweitens der Regulierungsdruck – «Regierung funktioniert heute weitgehend über Benchmarks; jeder Zentimeter der Stadt, der noch nicht dem Markt unterliegt, wird mit gezielten Projekten besetzt», sagt Pattaroni. «Das trifft besonders auch auf sozialdemokratisch regierte Städte zu, die auf die Forderungen der historischen Proteste nach mehr Freiraum eingehen und deren Errungenschaften jetzt garantieren wollen.»

Zwischennutzungen seien definierte Räume, in denen Subkultur gelebt werden dürfe – im Sinne einer regulierten Diversität. «Sie sind sowohl zeitlich als auch örtlich begrenzt, liegen innerhalb einer zur Verfügung gestellten Klammer», sagt Pattaroni. Entscheidend sei dagegen, dass in einer Stadt auch Räume bestünden, in denen Subversion entstehen könne, die über sich selbst hinausweise. Stattdessen weise die Entwicklung in Richtung einer Stadt ohne Probleme. Pattaroni spricht von «urbaner Asphyxie»: von Atemnot.

Alle sind so nett

Diese strukturellen Veränderungen einzelnen Akteur:innen zuzuschreiben, wäre zu einfach. Der Verein ZW schafft einen vielseitigen Kulturraum, die Zitrone mit Ateliers und Gemeinschaftsräumen einen alternativen Entwurf des Zusammenarbeitens. Der «Park Platz» bietet einen nichtkommerziellen Begegnungsort, der viel niederschwelliger ist als die meisten Besetzungen: einen Schmelztiegel zwischen Quartierleben und linker Subkultur. Alle genannten Zwischennutzungsprojekte schaffen ein wichtiges Angebot. Und nichts spricht dagegen, der Bevölkerung billige Arbeits-, Atelier- und Kulturräume zur Verfügung zu stellen, so wie das die Raumbörse erfolgreich tut.

Das Problem liegt in der Behauptung, dass das genüge. Denn die Regulierung von Freiraum bleibt im Grundsatz ein Widerspruch – und damit unmöglich. Wenn städtische Angebote wie die Raumbörse Dynamo als Alternative zu Besetzungen gehandelt werden, dann geht das zulasten Letzterer. Und dieser Verdrängungsprozess ist gewollt. Liegenschaften Stadt Zürich achte darauf, dass alle leeren Häuser zwischengenutzt werden könnten, sagt Daniel Leupi. «In einem Fall hat die Organisation in den letzten Jahren eine Fehleinschätzung bezüglich eines Leerstands getroffen.» Er spricht damit eine Liegenschaft an der Magnusstrasse an: «Dort blieb eine Liegenschaft längere Zeit unbenutzt – und prompt wurde sie besetzt.» Sie ist es bis heute.

Biel : Wo die autonome Welt noch in Ordnung ist

«Das autonome Jugendzentrum ist offen für jedermann.» Die Wortwahl ist überholt, aber der Leitsatz aus dem AJZ-Manifest von 1968 gilt noch immer. Der Verein AJZ besteht bis heute, betreibt neben dem Veranstaltungslokal Gaskessel auch einen Infoladen, eine Notschlafstelle, eine Zirkusschule sowie weitere Projekte – und wurde sogar in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Unesco aufgenommen.

Die letzten zwei Jahre waren für die autonome Jugendbewegung allerdings schwierig. Die Räumlichkeiten des Gaskessels müssen renoviert werden. Auch das Jugendkulturhaus X-Project musste seinen alten Standort an der Aarbergstrasse verlassen und umziehen. Angesichts dieser Herausforderungen hat sich das «EnsembleSTARK» gebildet, in dem sich Aktivist:innen dieser verschiedenen Projekte engagieren. Gemeinsam haben sie erreicht, dass die Liegenschaft an der Aarbergstrasse jetzt doch weiterhin befristet genutzt werden kann. Als Provisorium für den Gaskessel, aber auch für diverse neue Projekte, wie mehrere Aktivist:innen der WOZ erzählen. Dazu gehören Ateliers, Musikräume oder das Vereinslokal einer Gruppe junger queerer Personen. Alles selbstverwaltet und basisdemokratisch. Auch mit anderen Freiräumen sind die Aktivist:innen solidarisch, etwa mit der grossen Bieler Besetzung Labiu. «Wir wissen, dass es teils Spannungen zwischen Besetzungen und Zwischennutzungen gibt, aber wir stehen klar auf derselben Seite», sagt ein Vertreter des «EnsembleSTARK». In Biel, so scheint es, ist die autonome Welt noch in Ordnung.

Auch auf parlamentspolitischer Ebene ist die Stadt einzigartig. Seit 2020 sind Hauseigentümer:innen dazu verpflichtet, Leerstand bei einer Koordinationsstelle zu melden. Interessierte können sich dann bei derselben Stelle danach erkundigen. Die Meldepflicht geht zurück auf die Zwischennutzungsinitiative, die von der Juso 2017 eingereicht worden war. Der Bieler Stadtrat hat sie umgesetzt, ohne dass eine Abstimmung darüber nötig geworden wäre. Allerdings werde die Koordinationsstelle noch wenig genutzt, schreibt die verantwortliche Projektleiterin auf Anfrage. Die Initiant:innen kritisierten im letzten Jahr, die Meldepflicht werde nicht durchgesetzt. Die Aktivist:innen vom «EnsembleSTARK» zucken mit den Schultern. Es scheint, als hätten sie die Mithilfe der Verwaltung gar nicht nötig.

Lukas Tobler und Natalia Widla

Basel : «Eine Vermittlungsstelle der Stadt braucht es nicht»

Philippe Cabane wirkt leicht resigniert. Der Soziologe und Städteplaner hat zu Beginn des Jahrtausends die Zwischennutzung «nt/areal» mitinitiiert. Damals sei das Konzept einer Zwischennutzung als Stadtentwicklungsprojekt noch neu gewesen, sagt Cabane. Der «Kulturplatz» von SRF berichtete 2013 über das Areal als Paradebeispiel einer Zwischennutzung. Cabane betonte im Beitrag, dass eine Zwischennutzung nicht zuletzt auch das Risiko einer Besetzung minimiere.

Die Idee kam gut an. Heute sind Zwischennutzungen fester Bestandteil der Basler Stadtentwicklung. Seit 2018 beinhaltet der kantonale Richtplan sogar die behördenverbindliche Vorgabe, dass «Zwischennutzungen in brachliegenden Gebieten in der Planung in Abstimmung mit den Grundeigentümern geprüft und nach Möglichkeit berücksichtigt werden». Beispiele gibt es mehrere. Nennenswert sind etwa das Klybeckareal mit Ateliers und einem Kulturlokal, die Bar The Lab, in der mit Musik und Kunst experimentiert wird, oder Station Circus, eine Brache, auf der «Zirkuskultur» gelebt wird.

Diese drei Projekte haben gemeinsam, dass sie alle von der Firma «unterdessen» verwaltet werden. Im Fokus stehe «Stadtrendite», also Mehrwert für die Umgebung, erzählt Pan Stoll, Geschäftsführer von «unterdessen». Auf Profit ausgerichtet sei die Firma nicht. Verwaltung und Löhne würden aber über Mieteinnahmen finanziert.

«Mit Selbstverwaltung hat das wenig zu tun», sagt Philippe Cabane dazu. «unterdessen» sei eine Agentur, die den Eigentümer:innen alle Verantwortung abnehme. Davon profitieren auch die Behörden: Derzeit werden acht ihrer Liegenschaften von «unterdessen» bespielt. Cabane hat sich hingegen aus der Zwischennutzungsbranche zurückgezogen.

Eine städtische Stelle analog zur Raumbörse in Zürich brauche es in Basel nicht, sagt Roland Frank, Leiter der Fachstelle Stadtteilentwicklung. «Grundsätzlich werden für Zwischennutzungen frei stehende Liegenschaften oder Brachflächen über Betreiberorganisationen an die Nutzer:innen gebracht.» Diese Organisationen übernehmen die Räumlichkeiten und schreiben sie aus. «unterdessen» ist eine davon, aber nicht die einzige. So wird etwa der Holzpark Klybeck beim Hafen vom Verein Shift Mode betrieben. Derzeit plant die Stadt ein neues grosses Projekt auf dem Erlenmattplatz. Wer es dereinst betreiben wird, ist noch nicht klar.

Lukas Tobler und Natalia Widla

Luzern : Zwischennutzungen fördern, Hausbesetzungen verhindern!

Luzern sei keine Industriestadt, sagt Nathalie Brunner. «Es gibt wenige Areale, die frei werden und für grössere Zwischennutzungen infrage kommen.» Brunner ist Geschäftsführerin des Netzwerks Neubad. Es betreibt die Zwischennutzung eines ehemaligen Hallenbads, das dereinst abgerissen werden soll. Das Projekt läuft seit 2013. «Nebst dem Fokus Quartierarbeit, Kreativwirtschaftsförderung und soziokulturelle Animation finden hier diverse Kunst- und Kulturveranstaltungen statt», erzählt Brunner. Während die Verhandlungen mit der Stadt zu Beginn noch eher harzig gewesen seien, gestalte sich die Beziehung heute sehr harmonisch. Das Neubad erhält Subventionen, ist aber zu 95 Prozent selbsttragend; eine Vertragsverlängerung wird derzeit verhandelt. Die Zwischennutzung ist eine Erfolgsgeschichte.

Inzwischen hat sich das Netzwerk Neubad der Förderung ähnlicher Projekte verschrieben. Seit diesem Jahr betreibt es die Anlaufstelle «temporär», die Interessierte bei der Umsetzung von Zwischennutzungen berät. Sie arbeitet dafür mit der Basler Firma «unterdessen» zusammen (vgl. «Eine Vermittlungsstelle der Stadt braucht es nicht» weiter oben). Das Angebot stosse auch bei kleineren Gemeinden auf Interesse, sagt Nathalie Brunner. «Dort gibt es Leerstände, aber oft kein Know-how bezüglich der Umsetzung solcher Projekte.» Neben der Stadt Luzern stehen umliegende Gemeinden im Fokus. «Unsere Beratungsstelle steht der ganzen Zentralschweiz offen», so Brunner.

Auch die Stadt Luzern wolle Zwischennutzungen fördern, schreibt der Leiter der städtischen Immobilienverwaltung, Marko Virant, und verweist auf das Neubad als Beispiel. «Zwischennutzungen können sinnvoll sein und entsprechen einem Bedarf», schrieb der Stadtrat schon 2019 in einer Medienmitteilung. In der gleichen Mitteilung kündigte er ergänzend zum Zuckerbrot auch die Peitsche an: Nach nur 48 Stunden sollen Besetzer:innen städtischer Liegenschaften wieder abziehen müssen. Ansonsten würden die Häuser geräumt und die so entstandenen Kosten auf die Besetzer:innen überwälzt. Sein Claim: «Zwischennutzungen fördern, Hausbesetzungen verhindern».

Lukas Tobler und Natalia Widla

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Dieser Artikel wurde ermöglicht durch den Recherchierfonds des Fördervereins ProWOZ. Dieser Fonds unterstützt Recherchen und Reportagen, die die finanziellen Möglichkeiten der WOZ übersteigen. Er speist sich aus Spenden der WOZ-Leser:innen.

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