Erwachet!: Die grosse Unbekannte

Nr. 15 –

Michelle Steinbeck sucht ihr Heilsversprechen in Schmonzetten

Desinformation ist überall. Auch in amerikanischen Spitalsendungen. Als langjährige Konsumentin kokettiere ich gerne mit meinem medizinischen Wissen aus «Grey’s Anatomy» und Co. Auch wenn befreundete Mediziner:innen versucht haben, mir einzureden, dass ich solchen Serien kein Vertrauen schenken dürfe, habe ich doch heimlich weiterhin daran geglaubt, dass die schneidwütigen Skalpellfetischist:innen mit den immer strafferen und unbeweglicheren Gesichtern tatsächlich «cutting edge» sind.

Als meine Mutter mir kürzlich erzählte, dass in der neuen Staffel von «Grey’s Anatomy» Endometriose vorkomme, war ich also sehr gespannt. Wahrscheinlich erwartete ich sogar etwas Hoffnungsvolles: neue Erkenntnisse aus der Forschung, eine vielversprechende klinische Studie. Schliesslich ist Doctor de Luca eine Vorreiterin der feministischen Medizin!

Und dann die grosse Enttäuschung: Alles an der Szene ist falsch. Der Patientin wird unmittelbar und von blossem Auge eine Diagnose gestellt; die Krankheit wird falsch definiert; aber kein Problem: «Wir operieren sofort!» De Luca, ich habe mehr von dir erwartet.

Das Traurige ist, dass der Fall gar nicht unrealistisch ist. Denn auch die meisten real praktizierenden Ärzt:innen haben keine bis wenig Ahnung von Endometriose, und das, obwohl es die zweithäufigste «Frauenkrankheit» überhaupt ist. Etwa 176 Millionen Menschen leiden weltweit an dieser chronischen Krankheit, über die so gut wie nichts bekannt ist – ausser dass sie irgendwie mit dem weiblichen Zyklus zu tun hat. Und der ist ja in der Forschung sowieso unbeliebt, weil grässlich kompliziert.

Das wurde besonders klar, als im Zuge der Coronaimpfungen immer mehr Stimmen laut wurden, die von negativen Veränderungen im Zyklus berichteten. Während in den USA dazu Studien anliefen, wurde in den Schweizer Medien paternalistisch beschwichtigt. Da erzählten männliche Ärzte etwas von Stress – schliesslich kämen manche Frauen so voller Angst zum Impftermin, dass sie ihre Hormone sicherlich deshalb nicht im Griff hätten. Eine Ärztin erklärte, dass die Impfung wie jede Krankheit den Zyklus stören könne. Das mag sein. Fakt ist, dass sehr viele Frauen in den Wochen und Monaten nach den Covid-Impfungen erschreckende Auswirkungen erlebt haben. Die Zulassungsstelle Swissmedic weigerte sich jedoch, diese in die Liste der Nebenwirkungen aufzunehmen. Der Leiter Arzneimittelsicherheit verkündete stattdessen wörtlich: «Da muss man sich keine Sorgen machen.»

Der deutsche Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte liess sich in diesem Kontext zur Aussage hinreissen, dass er es mittlerweile sinnvoll finde, «ab einem bestimmten Entwicklungsstadium von Impfstoffen auch weibliche Probanden mit einzubeziehen». Das würde dann allerdings kompliziert, weil in diesem Fall eben der weibliche Zyklus berücksichtigt werden müsste.

Mir und der Hälfte der Menschheit wäre jedenfalls gedient, wenn die medizinische Forschung ihre scheue Ehrfurcht vor dem mysteriösen Komplex «Frauenkörper» mal langsam überwinden könnte. Ich würde gerne aufhören, mein Heilsversprechen in Fernsehschmonzetten zu suchen. Oder unterbewusst selber zu «forschen». So habe ich kürzlich geträumt, dass die Ursache von Endometriose gefunden wurde: das Patriarchat.

Michelle Steinbeck ist Autorin.