Wichtig zu Wissen: Fahrt nach Süden!

Nr. 26 –

Ruedi Widmer über neue Orte für die industrielle Massenproduktion

Mein Festanschluss dient nur noch dazu, das Smartphone anzurufen, um dieses in der eigenen Wohnung zu finden.

In Bayern findet der G7-Gipfel statt. Politikerinnen und Politiker versuchen, von der Alten Welt zu retten, was noch zu retten ist. Der ukrainische Präsident Selenski erscheint wie immer an solchen Anlässen total zugeschaltet.

Der G7-Gipfel zeigt, wie sehr sich die Welt seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine verändert hat. Ein neues Zeitalter der Abschottung und das Ende der Globalisierung stehen bevor.

Zeit, zu rekapitulieren: Die europäischen Kolonialisten hatten in China, Indien, Amerika und Afrika einst wertlosen Plunder gegen Wertvolles eingetauscht. Nun haben die Nachfahr:innen der Kolonialisten das Wertvolle nach China gegeben, um von dort wertlosen Plastikplunder zu erhalten.

Doch Umbrüche sind auch eine Chance. Denn der klassische Kolonialismus entstand erst mit den Problemen, die sich im 14. und 15. Jahrhundert im Handel mit China und Indien ergaben, weil das Erstarken der Osmanen und die Unruhen nach dem Zusammenbruch des Mongolischen Reichs die Handelswege für die italienischen Handelskarawanen unterbrachen. Der Orient war verriegelt. Also begannen sich die Europäer:innen nach Süden (Afrika) und Westen zu orientieren, um diese Blockade umgehen zu können (Vasco da Gama umsegelte 1488 erstmals das Kap der Guten Hoffnung). Den westlichen Weg nach Indien bescherte uns Kolumbus 1492 mit der Entdeckung Amerikas und der dortigen republikanischen Abtreibungsgegner.

Gerade die neue Weltordnung und Neuausrichtung Europas weg von Russland und China und ab 2024 nach der Wahl Trumps auch von den USA führte zu neuen europäischen Handelswegen und zur Entdeckung weiterer Kontinente. So betraten europäische Seefahrer 2031 erstmals die Küste Amoriens, und 2035 wurde die riesige Stadt Kamparanaza entdeckt und im Rahmen einer Nato-Friedensmission gewaltfrei erobert. Es war nicht einfach, die gutmütigen, aber völlig andersartigen Menschen dort mit dem Bau von Halbleitern, Mobiltelefonen und Chipprozessoren zu beschäftigen, und es bedurfte erneut der Herausgabe allerlei technischen Wissens.

Die Amorianer:innen kannten zwar bereits den Festnetzanschluss und hatten auch den Summton entdeckt (den im Übrigen schon die Summerer kannten), aber das technische Verständnis war völlig anders gelagert. Es brauchte von den Europäer:innen zuerst viel als Fingerspitzengefühl getarnte Naivität (Merkel, Schröder), um mit den Herrschern dort in eine Geschäftsbeziehung zu treten. Doch dann wurde Amoria zur neuen Werkstatt der Welt, und bereits 2050 war es so reich geworden, dass es selbst zu einer Weltmacht wurde, zu einem World Player. Erster von Europa hochgezüchteter Diktator 2042 (Famis Klaskar), erste amorianische Atomwaffe 2047.

Fährt man von Amoria mit dem Schiff gut acht Monate weiter nach Süden, stösst man auf eine Inselgruppe mit zackigen Bergen. Das gelang den Seefahrer:innen Serena Jacobsen und Martin Chang bereits im Juni 2043. Die Inselgruppe war nur eine Ahnung des neuen Kontinents Asparagua. Dieser Kontinent, aufgeteilt in die inzwischen in die Uno aufgenommenen Staaten United States of Asparagua, Gua, Dolempi und Gofi, wird derzeit industrialisiert. Die Europäer:innen sind an der Nordküste aktiv, vor allem in den USAS und in Gua; im Osten, in Dolempi und Gofi sind prochinesische und proamorianische Siedlungen entstanden.

Die Hoffnung von Wissenschaft, Politik und Wirtschaft beruht inzwischen auf eventuell endlos weiteren Kontinenten. Gerade der Übergang von der Globalisierung zur Flatisierung (dank der Forschung von X. Naidoo) um 2030 und der Ausstieg aus dem Klimawandel 2022 befeuerten die Theorie der endlosen Welt.

Ruedi Widmer ist auf dem Alten Kontinent daheim und macht seine Texte und Zeichnungen noch selber in Winterthur.