#digi: Unerkannt in St. Gallen

Nr. 38 –

Die digitale Überwachung des öffentlichen Raums nimmt zu. Jüngst kursierte in sozialen Medien ein Video des Künstlers Dries Depoorter. Links zeigt es Bilder, die auf Instagram gepostet wurden, rechts daneben jeweils die Aufnahmen von Überwachungskameras, die den Moment festhalten, in dem die Porträts geschossen wurden. Die NZZ führte derweil in einem Artikel vor Augen, wie einfach sich Demonstrant:innen mit frei verfügbarer Gesichtserkennungssoftware identifizieren lassen.

Gegen diese biometrische Massenüberwachung regt sich Widerstand. So wurde letzten November die Kampagne «Gesichtserkennung stoppen» lanciert (siehe WOZ Nr. 46/21). Sie will das Recht, «sich frei und unerkannt im öffentlichen Raum zu bewegen», verteidigen. Im Mai wurde eine Petition mit der Forderung, Gesichtserkennung im öffentlichen Raum zu verbieten, an die Exekutive verschiedener Schweizer Städte versandt. Das Parlament der Stadt St. Gallen hat nun die Gesichtserkennung im öffentlichen Raum vorsorglich gestoppt. Am 14. September stimmte es knapp einer Motion von SP, Juso und der Politischen Frauengruppe zu, die ein Verbot der Gesichtserkennung verlangt. (Damit geht St. Gallen weiter als Zürich: Dort dürfen in Zukunft nur noch Private weiterhin biometrische Erkennungssysteme verwenden.)

Das Verbot betrifft vor allem die Polizei. Sie hat reges Interesse an automatisierter Überwachung. Die Kantonspolizei St. Gallen hat 2019 eine Gesichtserkennungssoftware evaluiert, die seither im Einsatz ist. Gemäss kantonalem Sicherheits- und Justizdepartement gehe es aber nicht um Gesichtserkennung im öffentlichen Raum. Die Tools würden nur für die Analyse von Bildmaterial in laufenden Verfahren verwendet. So dürfte das städtische Verbot die Polizeiarbeit vorerst kaum beeinflussen – doch es setzt ihr Grenzen. Der Entscheid dürfte Signalwirkung für andere kantonale und nationale Regulierungen haben – die dringend nötig sind.