Wichtig zu wissen: Undank ist der Preis
Ruedi Widmer über den unbeliebtesten Job der Schweiz

Ueli Maurer (SVP) kann man aus linker Sicht kritisieren für seine rechte und unsolidarische Politik. Verstehen aber muss man, dass er so oft «käi Luscht» hatte. Denn der Bundesratsberuf ist über die Jahre härter und anspruchsvoller geworden. Man brennt schnell aus. Es fallen immer mehr administrative Arbeiten an und Sitzungen. Für die Unterrichtung des Volkes in Notlagen bleibt immer weniger Zeit. Das Volk schwatzt auch immer mehr drein (Internet). Deshalb gibt es viele Abgänge und auch viele Quereinsteiger:innen aus anderen Berufen wie Winzer (Parmelin), Eierkoch (Ogi) oder Metzger (Hans-Rudolf Merz).
Von der SVP Zürich will sich natürlich keiner der gut betuchten Männer auf dieses prekäre Niveau herablassen.
Der Bundesratsberuf ist über die Jahre härter und anspruchsvoller geworden.
Man denkt, Frauen seien da etwas robuster und strömten wie in der Privatwirtschaft oder der Familie automatisch in die weniger glamourösen Tätigkeiten mit der schlechteren Bezahlung. Doch weit gefehlt. In der SVP wollte laut «SonntagsZeitung» noch am letzten Wochenende partout keine Frau an den Herd der Staatsführung treten – weder die politische Prominenz Natalie Rickli oder Magdalena Martullo-Blocher noch die vernetzte Esther Friedli oder die Obwaldner Wirtschaftsfrau Monika Rüegger. Einzig die Nidwaldner Regierungsrätin Michèle Blöchliger gab am Montag ihre Bereitschaft bekannt.
Niemand hat also noch Lust, Bundesrät:in zu werden. Das Bundesratsamt ist nicht mehr attraktiv; man hört in Bern, die Bundesrät:innen müssten sogar ihre Schreibtische selber kaufen. Auch ihre Schlafmätteli (Schneider-Ammann), English Dictionaries (Parmelin), Klaviere (Sommaruga) und Sportflugzeuge (Berset). An den Bundesratswahlen stinke es schon um neun Uhr morgens nach Alkohol, manche könnten sich nicht mal mehr auf den Beinen halten (Delamuraz). Ein Chaos sondergleichen. Bundesrät:innen werden ohne Vorbereitung in die Verhandlungen geschickt (Keller-Sutter oder Cassis), viele werden verheizt (Christoph Blocher), manche laufen zum Feind über (Widmer-Schlumpf). Wird gegen die Zustände demonstriert, werden Einzelne direkt von der Strasse ins Amt gezerrt (Ruth Dreifuss). Viele ziehen in andere Wohnorte in anderen Kantonen, um nicht einberufen zu werden (Martullo-Blocher). An den Grenzen stehen jene im Stau, die nur noch rauswollen («Bundesratsreisli»).
Die Durchschnittskörpertemperatur der Bundesrät:innen betrage nur noch 19 Grad. Entsprechend frostig sind die Bundesratssitzungen. Im Winter könnte der Strom total ausfallen, einzelne energieintensive Bundesrätinnen (Amherd) stehen dann komplett still. Dann gibts nur noch kalte Küche («Bündnerfleisch!»). Im zweitschlimmsten Fall müsste jede:r zweite Bundesrät:in stillgelegt werden. Im schlimmsten würde einzig noch Bundespräsident Cassis mit einem Dieselgenerator betrieben (oder ab Jahreswechsel Alain Berset, der voraussichtlich neue Bundespräsident 2023).
Das Bundesratsamt muss wieder lohnenswert werden. Es sollte, wie so manches andere auch, endlich privatisiert werden. Wenn die Parteien niemanden mehr finden, der an der Front kämpfen will, müssen eben andere Organisationen einspringen. Firmen wie Novartis oder die Credit Suisse haben haufenweise entlassenes Führungspersonal, das sich aufstellen liesse, würde man es lassen. Die Zauberformel könnte angepasst werden: zwei UBS, zwei Roche, zwei Novartis, zwei Credit Suisse, zwei On (Turnschuhe). Die Bezahlung muss dann aber auch höher werden, denn Qualität kostet. Zudem zeichnet sich ab, dass bereits die nächsten Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats 2023 in Katar stattfinden könnten.
Im «Haus der Freiheit» in Ebnat-Kappel im Toggenburg sitzen Toni Brunner und Esther Friedli derweil bei Südworscht und Chäshörnli und sind froh, dass die Ostschweiz vom Krieg verschont bleibt. Pech haben die Berner:innen, die bei Rösti sitzen und grännen.
Ruedi Widmer wollte als Kind Bundesrat werden. Jetzt, wo es so leicht wäre, will er auch nicht mehr.