Kommentar zu den Bundesratswahlen: Eine Miniwende

Nr. 49 –

Viola Amherd und Karin Keller-Sutter wurden am Mittwoch mit Glanzresultaten in den Bundesrat gewählt. Für die Linke war das kein schlechter Tag.

Die Bundesratswahlen am Mittwoch waren nicht spannender als Wahlen in Nordkorea: Die beiden Favoritinnen setzten sich mit Glanzresultaten im ersten Wahlgang durch. Spannung war im Wahlkampf ohnehin nie richtig aufgekommen. Bei der FDP war die St. Galler Ständerätin Keller-Sutter schon als Topfavoritin gestartet und immer unangefochten geblieben. Die Walliserin Viola Amherd wiederum hatte sich bei der CVP langsam, aber kontinuierlich von einer etwas blassen zur einzigen valablen Kandidatin gemausert. Auch deshalb, weil ihre KonkurrentInnen patzten. Der Zuger Ständerat Peter Hegglin fiel mit seinen nicht vorhandenen Englischkenntnissen durch. Von der Urner Regierungsrätin Heidi Z’graggen, die die CVP am Ende mit Amherd auf ein Zweierticket setzte, wird aus diesem Wahlkampf vor allem die «Deppen-Affäre» haften bleiben.

Deprimierend regressiver Geist

Und dennoch war die Bundesratswahl bemerkenswert. Da war einerseits die Frauenfrage. Freilich ist es ein wenig trist, sich über die Wahl der beiden Frauen zu freuen. Dass nun wieder drei Frauen im Bundesrat sitzen und die weibliche Bevölkerung angemessen in der Regierung vertreten ist, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Dass es mit dem gegenwärtigen rechtsdominierten Nationalrat aber keine Selbstverständlichkeiten gibt, daran erinnerte am Tag vor der Wahl der Sabotageakt von FDP und SVP gegen die Klimaschutzziele (vgl. «In Bern hat das Klima keine Lobby» ). In Bern geht ein deprimierend regressiver Geist um. Und auch der Bundesrat ist in den letzten Jahren nach rechts gedriftet, zuletzt mit der Wahl des Mitte-rechts-Politikers Ignazio Cassis, der im September 2017 den weltoffenen FDP-Bundesrat Didier Burkhalter ablöste. Seither hatte im Bundesrat ein rechter Viererblock aus Ueli Maurer (SVP), Guy Parmelin (SVP), Johann Schneider-Ammann (FDP) und Ignazio Cassis (FDP) das Sagen.

Die Bundesratswahlen waren zwar keine Richtungswahl. Doch aus linker Sicht ging es darum, die herrschenden Mehrheitsverhältnisse nur ein Jahr vor den nächsten Parlamentswahlen nicht weiter zu zementieren. Die Nachfolge von CVP-Bundesrätin Doris Leuthard war in dieser Frage entscheidend: Viola Amherd gehört zum schrumpfenden linken Flügel der Partei. Ob es ein taktisches Manöver von Doris Leuthard war oder nicht: Mit ihrem frühzeitigen Rücktritt hat sie eine Kandidatur des stramm katholisch-konservativen Parteipräsidenten Gerhard Pfister verhindert. Dass Pfister Bundesratsambitionen hegte, ist kein Geheimnis. Ein Jahr vor den nationalen Wahlen konnte der Parteipräsident sein Amt aber nicht niederlegen. An seiner Stelle trat der wie Pfister aus dem Kanton Zug stammende Steuerdumper Peter Hegglin an. Hätte er den Sitz für die CVP gewonnen, hätten die Rechten eine Mehrheit von fünf zu zwei erhalten, die Machtfrage im Bundesrat wäre auf Jahre hinaus geklärt gewesen. Und das, obwohl nächstes Jahr bei den Parlamentswahlen die berechtigte Hoffnung auf eine kleinere oder grössere Korrektur des Rechtsrutschs besteht: Die SVP ist auf der Verliererstrasse; sie gewinnt keine Abstimmungen mehr und verliert auch bei den kantonalen Wahlen, die Grünen wiederum sind im Hoch.

Absage an Pfisters Kurs

Natürlich ist Viola Amherd keine Linke. Sie ist wirtschaftsliberal und vertritt die Interessen der Bergkantone. Gleichzeitig ist Amherd gesellschaftspolitisch liberal, europafreundlich – und sowohl in der Sozial- als auch in der Migrationspolitik näher bei der Linken als ihre grandios gescheiterte Gegnerin Heidi Z’graggen, die sich ausser bei Umweltthemen konservativer positioniert als Amherd. Deren Sieg hat vielleicht auch damit zu tun, dass die CVP die grünen Aspirationen auf einen Bundesratssitz entkräften wollte: Mit der Walliserin stellt die CVP weiterhin eine Bundesrätin, die auch für linke Anliegen offen ist. In diesem Sinn kann Amherds Wahl auch als Absage an Pfisters nationalkonservativen Kurs verstanden werden.

Und Karin Keller-Sutter? Sie wird auch im Bundesrat die stramme Rechtskonservative bleiben, die sie immer war. Und so den SVP-FDP-Block stärken. Zu hoffen bleibt jedoch, dass «KKS» etwas mehr Eigenständigkeit an den Tag legt als ihr Vorgänger Schneider-Ammann, der oft ideologisch ferngesteuert wirkte, etwa in der Europapolitik oder bei den Waffenausfuhren. Keller-Sutter hingegen weicht für den Kompromiss auch einmal von der Parteilinie ab. So hat sie angekündigt, bei den Verhandlungen mit der EU für den Lohnschutz einzustehen. Insgesamt könnte diese Frauenwahl also immerhin bewirken, dass sich der Bundesrat nicht weiter nach rechts bewegt, sondern dass es stattdessen eine Aufweichung gibt, die langfristig im besten Fall in eine bessere Bundesratszukunft führt.