Flüchtlingskontingente: Keller-Sutters Vermächtnis

Nr. 51 –

Wann immer Karin Keller-Sutter gefragt wurde, ob es legale Fluchtrouten nach Europa brauche, verwies sie auf die Kontingente für UNHCR-Flüchtlinge: «Legale Zugangswege gibt es schon heute, zum Beispiel in Form von Resettlement-Programmen des UNHCR», antwortete sie vor einem Jahr in der NZZ. (Wir danken den Kolleg:innen für die Dokumentation, der WOZ gewährte die abtretende Justizministerin nie ein Interview.) Auch in einer aktuellen Studie des Staatssekretariats für Migration (SEM) über Zugangsmöglichkeiten für Geflüchtete wird die Aufnahme von besonders vulnerablen Personen aus Kriegsgebieten betont. Auf die Erörterung von zusätzlichen Wegen in die Schweiz verzichtet der Bericht, obwohl das SEM dem Städteverband genau dies versprochen hatte.

Immerhin hält die Studie fest: Die Schweiz befindet sich bei den Resettlement-Plätzen, die sie zur Verfügung stellt, im Vergleich zu anderen europäischen Staaten bloss im Mittelfeld. Die regelmässige Gewährung von Kontingenten, die für jeweils zwei Jahre 1500 bis 2000 Plätze umfassen, war 2018 ein letzter Entscheid der damaligen Justizministerin Simonetta Sommaruga. Was macht nun Karin Keller-Sutter, die das Departement bei der erstbesten Gelegenheit verlässt? Sie setzt die Kontingente aus, die besonders traumatisierte Frauen und Kinder schützen. Ein letzter Amtsakt, ein sprechendes Vermächtnis.

Ob nach dem Brand des Flüchtlingslagers auf der griechischen Insel Lesbos oder der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan: Keller-Sutter fand immer eine Ausrede dafür, nicht mehr für Geflüchtete zu tun, als im Minimum vorgeschrieben war. Nun hebelt sie mit den Kontingenten ihre Lieblingsausrede aus. Begründet wird der Entscheid mit der Zahl an Geflüchteten, die wegen des Krieges gegen die Ukraine auf einem Hoch ist. Dass Unterkünfte fehlen, ob beim Bund, den Kantonen oder Gemeinden, hat aber weniger mit der Zahl zu tun, sondern damit, dass die Aufnahme von Geflüchteten ständig als Ausnahme und nicht als Regel geplant wird. Wer stets mit dem Minimum rechnet, kann wie KKS auch dauernd den Notstand ausrufen.