Auf allen Kanälen: Daniele Gansers Safe Space

Nr. 6 –

Auf der Plattform des verschwörungsaffinen Historikers Daniele Ganser erhalten angehende «Peacemaker» vor allem esoterische Lebensberatung.

Illustration eines Fäkalien-Haufen

Zu sagen, dass Daniele Ganser, der mit seiner Forschung zu Nato-Geheimarmeen bekannt, aber mit Verschwörungstheorien zu 9/11 berühmt wurde, umstritten sei, wäre eine Untertreibung. Aber es sind just diese anhaltenden Kontroversen, die der verschwörungsaffine Historiker nutzt, um seinen Antimainstreammythos auszubauen. Wird er öffentlich kritisiert, dreht er diese Kritik zum Beweis um: dass den «Mainstreammedien» halt nicht zu vertrauen sei.

Es ist nur folgerichtig, dass so jemand eine eigene Gegenöffentlichkeit aufbaut. Ganser macht das seit Jahren erfolgreich mit Auftritten und vor allem auf Youtube. Der neuste Pfeil in seinem Antimainstreamköcher ist die «Daniele Ganser Community»: eine Art geschlossene Mini-Social-Media-Plattform, auf der Ganser-Fans unter sich und mit Daniele sind (in der Community ist man per Du). Die Plattform ist seit dem 1. Januar 2022 online. Der Eintritt kostet jährlich 365 Franken oder Euro. Wer sich eine Mitgliedschaft kauft, wird anschliessend als «Peacemaker» in der «Friedensbewegung» begrüsst.

Frei von der Leber weg

Was man dafür bekommt? Inhaltlich nicht viel. Der Grossteil der Videos – Videos sind der hauptsächliche Content – wurde bereits vor 2022 aufgenommen. Neuere Inhalte scheinen erst in den vergangenen Monaten (rund drei Videos pro Monat) dazugekommen zu sein.

Die Themen der Clips überraschen. Nur etwa die Hälfte sind politische Analysen, Gansers Kernbusiness. Die andere Hälfte dreht sich um den «inneren Frieden». Es sind in esoterischem Duktus gehaltene, offenbar frei von der Leber weg gesprochene Selbsthilfetraktate. Immer wieder erklärt Ganser mäandrierend: Menschen seien weder ihr Körper noch ihre Gedanken, sondern «formloses Bewusstsein». Dieses gehe bei der Zeugung in den Körper – genauer: in die «körperliche Dreidimensionalität» – hinein (eine reichlich krude Form der uralten These des Körper-Geist-Dualismus).

Auch legt er dar, dass die vielen Symmetrien in der Natur (etwa bei Schneeflocken) zeigen würden, dass im Universum vieles in «perfekter Ordnung» sei. Darum müssten wir selbst eigentlich nichts tun, um die Welt in Ordnung zu bringen. Kurz darauf bemerkt Ganser selbst den Widerspruch: In der Regel kritisiert er ja Dinge, die gerade nicht in Ordnung sind – Kriege etwa und die behaupteten Lügen dahinter. Logisch nicht ganz einleuchtend argumentiert er weiter, für die «Friedensbewegung» sei es wichtig, aus dieser «Gottesüberzeugung», dass eben vieles in Ordnung sei, Kraft zu schöpfen.

Fragerunde mit Daniele

Der inhaltlich anregendste Teil der Videos sind die monatlichen Videofragerunden mit Community-Mitgliedern. Kritik an Ganser gibt es zwar nie, dafür liefert er ab und an erstaunliche Einblicke in seine Gedankenwelt. Zum Beispiel in der Fragerunde vom 1. Juli 2022, in der er gefragt wurde, wie er denn selber Medien konsumiere. Er antwortet am Beispiel des Butscha-Massakers, das russische Streitkräfte im März 2022 in der Ukraine begingen. Er habe sich zunächst angeschaut, was SRF und «Der Spiegel» schrieben («Es waren die Russen»). Dann habe er nachgesehen, was RT Deutsch (ein Propagandakanal des Kreml) sowie der «Anti-Spiegel» (ein irrwitziger Blog, der hanebüchene Pro-Kreml-Desinformation streut) dem entgegenhielten («Es waren die Ukrainer»).

Die Argumente von RT Deutsch und «Anti-Spiegel» hätten ihn überzeugt: Dass Russland schuld sein soll, sei vermutlich eine Fehlinformation. Hinter dem esoterischen Mäntelchen des Selbsthilfegurus schlummern immer noch dieselben abstrusen Schlussfolgerungen des Verschwörungsideologen.

Wie einträglich ist das Ganze für Ganser? Er betreibt die Plattform mit dem Unternehmen «Die Quelle – The Source AG», das esoterische Kurse anbietet («Lichtmedizin – Ausbildung zur Heiler/in der Zukunft», «Seelenwegreadings» und so weiter). Die Nachfrage, wie viele zahlende Peacemaker in der Community sind, wollte das Unternehmen nicht konkret beantworten. Es wurde lediglich angegeben, dass es klar mehr als 500 Personen seien.

Nehmen wir konservativ an, es sind 550. Das macht im Jahr über 200 000 Franken. Ganser erobert nicht nur die Herzen seiner Fans, sondern auch ihre Portemonnaies.