Im Affekt: Männermelken mit Peterson

Nr. 11 –

Eins der wichtigsten Gesetze des Internets besagt: Alles, was existiert oder auch nur vorstellbar ist, ist als Pornografie im Netz zu finden – auf Englisch unübersetzbar pointiert: «There’s porn of it, no exceptions.» Die «Rule 34» stammt von einem britischen Teenager, der einst online auf eine «erotische» Version seines Lieblingscomics gestossen ist – wie genau, will man gar nicht wissen. Später beschäftigten sich mit ihr auch Wissenschaftler:innen, die zur Diversität pornografischer Erzeugnisse und zur Rolle grosser Plattformen hierbei forschen.

Jordan Petersons Pech, dass er von der Rule 34 offenbar noch nie gehört hat. Der kanadische Psychologe, eine der prominentesten Stimmen wider den Queerfeminismus, den Antirassismus und was sonst noch alles der Rechten schlaflose Nächte bereitet, twitterte kürzlich ein irritierendes Video: Zu sehen waren auf Spitalbetten liegende Männer ohne Hosen, das Geschlechtsteil in einem obskuren Apparat. Peterson nahm an, dass es sich dabei um ein Leak aus einem chinesischen Labor handle, und brandmarkte daher einen «unglaublichen Techno-Albtraum» unter Federführung der Kommunistischen Partei: Hier werden Männer wegen einer staatlich verordneten demografischen Offensive ihres Samens beraubt!

Tatsächlich aber ist das Video ein Fetischporno aus den Weiten des Netzes. Ein kleines Lehrstück in Sachen politische Paranoia: Es sind ja auf der Rechten schon fast Gemeinplätze, wenn der Feminismus zum familienzersetzenden Unterfangen oder Klimaaktivismus zum fundamentalistischen Fanatismus erklärt wird. Da kann auch mal ein sexy Clip zum Beleg für staatlichen Terror werden.

Vor ein paar Tagen übrigens erteilte der Psychologe auf Twitter gar dem Papst Nachhilfe, weil er anders als dieser soziale Gerechtigkeit nicht als Teil des christlichen Wertekanons betrachtet. Schrecklicher Verdacht: Womöglich ist Peterson, den konservative Medien nun schon seit Jahren zum Superintellektuellen hochschreiben, vor allem ein Narzisst – und ansonsten schlicht nicht die hellste Kerze auf der Torte.

Eben ist Petersons «Konservatives Manifest» erschienen. Eine Huldigung desselben lesen Sie in Kürze in Ihrer NZZ!