Sachbuch: Die Folgen der Atombombe

Nr. 12 –

Buchcover von «Hiroshima»
John Hersey: «Hiroshima». Aus dem amerikanischen Englisch von Justinian Frisch und Alexander Pechmann. Verlag Jung und Jung. Salzburg 2023. 224 Seiten. 37 Franken.

Im Mai 1946 wird der US-amerikanische Schriftsteller und Journalist John Hersey von der Zeitschrift «The New Yorker» nach Hiroshima geschickt. Er soll erkunden, was sich neun Monate zuvor, am 6. August 1945, beim Abwurf der Atombombe genau zugetragen hat. Hersey verbringt einen Monat in Japan, recherchiert, spricht mit Augenzeug:innen – trotz der geltenden Zensur der Besatzungsbehörden, die jede Berichterstattung über die Folgen des Atombombenabwurfs verbietet. Hersey zeichnet die Berichte von sechs Menschen auf, die sich an jenem Augusttag um 8.15 Uhr in Hiroshima befanden und von einem jeweils anderen Standort aus den Lichtblitz sahen, der den Himmel erhellte: ein katholischer Missionar, eine Büroangestellte, die Witwe eines Schneidermeisters, zwei Ärzte. Er führt die Fäden ihrer Lebensgeschichten und Erinnerungen zusammen und verbindet sie zu einer grossen Reportage – der ersten über das menschliche Leid, das der US-Atombombeneinsatz verursacht hat. Am 31. August 1946 wird sein Bericht in einem Sonderheft des «New Yorker» veröffentlicht und wird zur Sensation.

77 Jahre später legt der österreichische Verlag Jung und Jung das Werk neu auf, ergänzt um ein bislang noch nicht auf Deutsch erschienenes Kapitel (übersetzt von Alexander Pechmann), das John Hersey vier Jahrzehnte später geschrieben hat. Es verfolgt den Lebens- und Leidensweg der Protagonist:innen bis in die achtziger Jahre weiter. Dass der Verlag «Hiroshima» als wertvolles Stück Zeitgeschichte gerade jetzt herausbringt, ist kein Zufall: Im Zuge des russischen Krieges gegen die Ukraine werde wie nebenher über den möglichen Einsatz von atomaren Waffen diskutiert, heisst es aus dem Verlag, und man werde den Eindruck nicht los, dass das historische Wissen über deren verheerende Wirkung mittlerweile ein wenig aus dem Bewusstsein gerückt sei. Ausserdem beeindruckt auch die erzählerische und literarische Qualität der Reportage noch heute. Mögen es viele lesen, denen die Begriffe «Hiroshima» und «Nagasaki» nicht mehr geläufig sind.