Emissionshandel: Eine Chronik des Versagens
Seit 2013 existiert das Emissionshandelssystem (EHS) in seiner jetzigen Form. Das Instrument zur Reduktion von Treibhausgasemissionen der klimaschädlichsten Firmen gilt als Kernelement der Schweizer Klimapolitik. Pünktlich zum zehnjährigen Bestehen haben die Journalist:innen Alex Tiefenbacher und Luca Mondgenast für das Onlinemagazin «Das Lamm» eine aufwendige siebenteilige Serie über das EHS geschrieben. Die Recherche hat es in sich: Tiefenbacher entlarvt das angebliche Anreizsystem als völlig ineffizient.
Schweizer Firmen, die besonders viel CO₂ ausstossen, etwa Zement- und Stahlwerke oder Pharmaproduktionsstätten, sind verpflichtet, am EHS teilzunehmen. Im Gegenzug sind sie von der CO₂-Abgabe befreit – mit dem Argument, dass ihre Kosten sonst zu hoch wären. Das EHS basiert auf dem «Cap and Trade»-Prinzip. Das heisst, es wird eine beschränkte Anzahl an Zertifikaten vergeben, die jeweils zum Ausstoss von einer Tonne CO₂ berechtigen. Die Zertifikate sind mittlerweile europaweit handelbar. Wer wenig Treibhausgase ausstösst, kann überschüssige Zertifikate verkaufen. In der Theorie sollten die teilnehmenden Staaten jedes Jahr weniger Zertifikate in Umlauf setzen und so den Preis für Treibhausgasemissionen kontinuierlich anheben.
Doch in der Realität torpedieren die Staaten ihr eigenes «Anreizsystem». Sie verteilen viel zu viele Gratiszertifikate. Auch die Schweiz, wie «Das Lamm» erstmals umfassend ausgewertet und berechnet hat: Durch die ausbleibende CO₂-Abgabe erliess der Bund den umweltschädlichsten Firmen von 2013 bis 2020 etwa drei Milliarden Franken – und schenkte ihnen Emissionsrechte im Wert von etwa 361 Millionen Franken. Begründung: Schutz der inländischen Industrie. Mit den Gratiszertifikaten soll verhindert werden, dass sich die für die Klimagasemissionen verantwortliche Produktion aufgrund hoher CO₂-Kosten in ein anderes Land verlagert. Das EHS ist kein nachhaltiges klimapolitisches Instrument, sondern eine «Flatrate für Monsteremissionen», wie «Das Lamm» treffend schreibt.