Leser:innenbriefe

Nr. 13 –

Leider kein Fabelwesen

«Ein Traum der Welt: Übermächtiges Monster», WOZ Nr. 12/23

Das von Michelle Steinbeck beschriebene Monster hat, wie allgemein bekannt, nicht nur viele Köpfe, sondern auch viele Herzen. Eines davon befindet sich zufälligerweise hier bei uns in der Schweiz. Das hat offensichtlich den Vorteil, dass wir immer mit viel frischem Blut, also Geld, versorgt werden. Unsere Lebensaufgabe als Linke ist, dafür zu sorgen, dass möglichst viele etwas davon bekommen – sprich Umverteilung.

Doch manchmal stockt das Herz, und Panik bricht aus. Jetzt braucht es Expert:innen, und flugs wird ein Bypass gesetzt. Noch einmal Glück gehabt!

Als Nächstes ist jetzt Prävention angesagt. Unser Herz muss geschont werden. Wir müssen unser Leben ändern, weniger Stress, mehr Nachhaltigkeit, ganz grundsätzlich «kleinere Brötchen backen».

Und schon kommen die ersten Zweifel: Wird dann nicht auch der Kuchen, den wir möglichst fair verteilen wollen, kleiner? Haben denn nicht auch diejenigen, die bis jetzt nicht an den Tisch geladen waren, auch Anrecht auf etwas Süsses? Und vielleicht die unangenehmste aller Fragen: Wird das Monster nicht auch ohne unser flottes Herz gut weiterleben können?

Zu befürchten ist es. Was also tun? Ich weiss es nicht. Hilfreich wäre es aber zumindest, wenn wir lernen, mit den zunehmenden Krisen umzugehen. Denn das Monster liebt den Ausnahmezustand und das Notrecht. Es will uns in Panik sehen. Dem müssen wir entgegenhalten.

Marc Meyer, Zürich

Unvollständiges Bild

«Schweiz–Ukraine: Die Neutralität als Falle», WOZ Nr. 11/23

Der Redaktor zeichnet von der Neutralität ein unvollständiges Bild. Ins Zentrum rückt er das Geschäftemachen, zu dessen entscheidender Gelingensbedingung die Neutralität stilisiert wird. Das ist verständlich, denn in der Schweiz haben dauernde Neutralität und opportunistisches Profitstreben eine beschämend verschränkte Geschichte. Wer Geschäftemachen und Neutralität allerdings in einen allzu strengen Zusammenhang setzt, droht helvetische Nabelschau zu betreiben. Schliesslich wird kooperatives Handeln weltweit von Kapitalinteressen untergraben. Beispiel Rohstoffhandel: Die Ölsanktionen umschifft Russland mit Tankern, deren Spuren in US-Partnerländer führen. Das hiesige Geschäftemachen dürfte auch ohne Neutralität weitergehen.

Unterschlagen wurde im Leitartikel hingegen die sicherheitspolitische Relevanz der Neutralität. Was aber wäre die Folge einer in der militärischen Beihilfe engagierten Schweiz? Auf Dauer der Beitritt zur Nato, weil sich ein derart aktiver Kleinstaat die Bündnisfreiheit nicht länger erlauben könnte. Die Folgen wären verheerend: ein erhöhtes Armeebudget, die Aufwertung der schweizerischen Rüstungsindustrie und das Risiko Kriegsbeteiligung.

Zweifellos hat die Schweiz viele Hausaufgaben. Unser humanitärer Einsatz ist bescheiden, der Rohstoffhandel unreguliert, der Bankenplatz beelendend. Das muss sich ändern, um sinnvoller neutral sein zu können. Verantwortungslos wäre hingegen das Aufgeben jener Kernneutralität, an die Bundespräsident Alain Berset erinnert hat.

Andrej Markovic, Parteirat SP Schweiz, Zug