Von oben herab: Ski und Rodel guet

Nr. 15 –

Stefan Gärtner über nachhaltige Winterspiele

Riesenaufregung in der Schweiz: Kommen die Olympischen Winterspiele 2030 in die Eidgenossenschaft? Sieben Jahre vor dem Termin sucht das Internationale Olympische Komitee (IOK) noch einen Ausrichter, denn olympische Grossereignisse sind, mindestens in der demokratischen Welt, als teuer und umweltschädlich in Verruf geraten. Doch in der ohnehin schädlich teuren Schweiz gelten andere Massstäbe, und im Grossen und Ganzen spricht Nationalrat Matthias Aebischer (SP), Präsident der parlamentarischen Gruppe Sport, für alle, wenn er sagt: «Ich war stets ein Befürworter von Olympischen Winterspielen in der Schweiz. Wenn man es richtig macht, kann es einem Land sehr viel bringen.» Und so macht man es richtig:

Für Schneesicherheit sorgen. Die grüne Berner Nationalrätin Aline Trede fragt zwar: «Können Olympische Winterspiele angesichts der klimatischen Veränderungen in Zukunft überhaupt ein nachhaltiges Projekt sein?» Aber im Zürcher Bankenviertel hat man da keine Bedenken: «Ich bin sicher, dass, solange die Boni stimmen, unsere Bankerinnen und Banker nur zu gern einen Teil ihrer Ration zur Verfügung stellen», sagt Marcel Rohner, Präsident der Schweizerische Bankiervereinigung. «Es ist ja sogar Naturschnee und so nachhaltig, dass man guten Gewissens schlafen könnte. Wenn es denn ginge!»

Klein, fein, sauber. Apropos: Infrage kommen, da herrscht Einigkeit, allein nachhaltige und bescheidene Spiele. «Die Spiele müssen wieder kleiner und vernünftiger werden» (Aebischer). Eröffnungs- und Schlussfeier sind im Stadion des FC Winterthur gut aufgehoben, und es muss gar nicht immer Rihanna auftreten, Beatrice Egli tut es auch. Ski können aus dem bewährten Werkstoff Holz und die Sportanzüge aus problemlos rezyklierbarer Wolle bestehen, und wenn im Eiskanal statt öden Hightechs der gute alte «Davos»-Schlitten zum Einsatz kommt, wird Rennrodeln als «Pennrodeln» zu einer wunderbar achtsamen Veranstaltung. Die Einführung von Uranmantelgeschossen im Biathlon ist vom Tisch, und insgesamt wird es viel weniger wichtig sein, aufs Treppchen zu kommen, als sich selbst zu finden. Falls nicht sogar andere (Lawine)!

Spiele der kurzen grünen Wege. Neue Sportanlagen müssen in der Schweiz nicht errichtet werden, und die alten lassen sich per SBB schnell erreichen. Die üblichen Privilegien für die Funktionärskaste sollen dabei entfallen: Statt Limousinenservice oder wenigstens Erste-Klasse-Generalabonnement wird es nur ein Halbtax geben, für den Weg vom Bahnhof zu den Sportstätten müssen «Schusters Rappen» oder Pferdeschlitten reichen. Achtung: Warme Decken kosten extra!

Finanzierbarkeit. Überhaupt wird deutlich weniger Geld ans IOK fliessen als gewohnt. Das fängt bei den Werbegeschenken an, die es ja nicht braucht, wenn sich keine Konkurrenz mehr um Olympia prügelt: Die Patek Philippe Grandmaster Chime (Internetpreis 8 451 672 Euro, kein Witz!) wird sich IOK-Präsident Thomas Bach also selbst kaufen müssen; stattdessen gibts als Zeichen der Schweizer Gastfreundschaft eine Stange Toblerone, eine Kiste Rivella blau und vielleicht noch etwas Bündnerfleisch (vegan), das muss reichen.

Frauenförderung. Wenn es in Deutschland schon eine feministische Aussenpolitik gibt, können Winterspiele in der Schweiz doch leicht ein Beispiel für eine frauenfreundliche Nichtganzsogrossveranstaltung geben: Gegen das Schlangestehen gibts die dritte Damentoilette, das Eisstadion ist beheizt (Ökostrom), und endet das Eishockey-Final Schweiz gegen Kanada nach einer Fehlentscheidung der Schiedsrichterin 2:3, wird die Reporterin uns trösten, dass es «doch wirklich nur ein Spiel» sei. Mit Männern, die nicht gendern, wird Schlitten gefahren. (Weitere gute Witze zum Thema können bestellt werden bei: Agentur Marco Rima, Telefon: 079 268 43 61).

Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er jede zweite Woche das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.

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