Was weiter geschah: Erster Test für den neuen Bürgermeister

Brandon Johnson, der linke Kandidat für das Bürgermeisteramt von Chicago, hat am 4. April die Wahl überraschend gewonnen. Johnson hatte in seiner Wahlkampagne einen radikal anderen Umgang mit der steigenden Gewalt in Chicago versprochen. Allein im Jahr 2022 wurden in der Stadt am Michigansee 695 Menschen getötet. Im Jahr davor waren es sogar 804 gewesen. So hoch waren die Zahlen zuletzt in den neunziger Jahren. Der Schwarze Demokrat Johnson, der am Ende 20 000 Stimmen Vorsprung auf seinen Konkurrenten Paul Vallas hatte, steht der «Defund the police»-Bewegung nahe. Er verspricht zwar keine Abschaffung der Polizei, aber einen Umbau. Vom 2 Milliarden Dollar schweren Polizeibudget will Johnson 35 Millionen Dollar abziehen und in Jugendprogramme stecken. Er verspricht den von Armut und Gewalt betroffenen Vierteln zudem Geld für Wohnbauprojekte, Sozialarbeiter:innen, Drogenberatung oder psychiatrische Versorgung.
Noch im ersten Wahlgang war Johnson seinem Rivalen Paul Vallas – der am rechten Rand der demokratischen Partei politisiert und für einen harten Law-and-Order-Kurs steht – deutlich unterlegen. Gemäss Wahlanalysen sorgten in erster Linie die jungen Stadtbewohner:innen zwischen 18 und 24 Jahren, die im zweiten Wahlgang weit zahlreicher an die Urne gingen, für seinen Sieg. Dieser dürfte auch im Hinblick auf die US-amerikanischen Vorwahlen eine Rolle spielen – wenn es darum geht, ob die Demokrat:innen eher auf progressive Kandidat:innen wie Johnson oder konservative wie Vallas setzen sollten.
Der erste Test steht für Johnson bald an: Er muss die oder den nächste:n Chef:in der Chicagoer Polizei bestimmen. Ein ziviler Aufsichtsausschuss wird bis Mitte Juni drei Kandidat:innen nominieren.
Nachtrag zum Artikel «Bürgermeisterwahlen: Ein Wandel für Chicago?» in WOZ Nr. 13/23.